Das Team, das alle lieben zu hassen

Die New York Yankees sind auf dem besten Weg, gegen Atlanta ihre 25. World Series zu gewinnen und sich den Titel „Team des Jahrzehnts“ zu sichern  ■   Von Thomas Winkler

Was Manchester United in England ist oder Bayern München hierzulande, das sind die New York Yankees in den USA: Opportunisten und kleine Kinder lieben sie, der Rest kann sie nicht leiden. Sie sind arrogant und reich. Und (fast) immer gewinnen sie: Allein 25-mal die World Series, das ist einsamer Rekord im amerikanischen Profisport. „Ein Fan der Yankees zu sein“, schrieb einmal Sports Illustrated, „macht ungefähr so viel Spaß wie Fan von Microsoft zu sein.“

Daran scheint sich auch in diesem Jahr nichts ändern zu wollen. Mit 7:2 gewannen die Yankees in der Nacht zu Montag bei den Atlanta Braves und führen nun mit 2:0 Siegen in der World Series, den Finals des Major League Baseball. Nun stehen drei Heimspiele im Yankee Stadium an, und den Bronx Bombers fehlen nur noch zwei Siege zur erfolgreichen Titelverteidigung. Es wäre der dritte Titel in vier Jahren. Im letzten Jahr waren die Yankees durch die reguläre Saison spaziert und hatten so viele Spiele wie nie ein Team vor ihnen in der über hundertjährigen Geschichte der Major Leagues gewonnen. Trotzdem hatte Besitzer George Steinbrenner vor dieser Saison wieder die Gelddruckmaschine angeworfen und die Mannschaft noch einmal verstärkt. Mit Roger Clemens kam der vielleicht beste Pitcher der letzten 15 Jahre in die Bronx. Die Yankees schienen endgültig unschlagbar. Aber: Nicht nur der 37-jährige Clemens machte den Eindruck, als hätte er seine besten Tage hinter sich.

Doch in den Play-offs waren die Yankees wieder ganz die Alten und haben bisher nur ein einziges Spiel verloren. So macht es wieder Spaß, die Yankees zu hassen.

Dabei gibt es dafür eigentlich keinen rechten Grund. Zwar gehört New York zu den Teams mit der dicksten Gehaltsliste, aber unsympathische Superstars sucht man vergeblich – mal abgesehen von Clemens, der dafür berüchtigt ist, gegnerische Batter mit gezielten Würfen auf den Körper zu verunsichern. Der Rest der Yankees ist so beliebt wie ihr knautschgesichtiger Manager Joe Torre, dessen Heilung vom Prostatakrebs in diesem Frühjahr die ganze Nation besorgt verfolgte.

Vor allem aber repräsentieren die Yankees gute alte Baseball-Tradition: Zwar sind sie so reich wie kein anderes Team, aber auf dem Feld stehen gut zur Hälfte Spieler, die von Scouts entdeckt und im eigenen Farmsystem entwickelt wurden. Im Zeitalter immer häufigerer Spielerwechsel ein ungewöhnlich hoher Wert.

Auch ihre Spielweise ist antiquiert: Während die meisten Teams immer mehr auf den Homerun bauen, spielen die Yankees ihre Punkte ganz altmodisch heraus. Bases werden gestohlen, der Ball ins Spiel gebracht, Opferschläge sind an der Tagesordnung, niemand sorgt sich um persönliche Statistiken. Sieht man New York spielen, kann man die ganze Palette an Taktik sehen, die Baseball zu bieten hat, und nicht nur eindimensionales Homerun-Geballer.

Nicht nur deswegen könnte man fast anfangen, die Yankees zu mögen. Denn der Gegner ist fast noch erfolgsverwöhnter und unsympathischer. Das fängt schon an mit Besitzer Ted Turner, dem Medienmogul, der der Welt CNN schenkte, und seiner Frau Jane Fonda, deren Beitrag zum Weltkulturerbe nicht viel besser ist: Aerobics. Manager Bobby Cox ist ein hysterischer Magengeschwürkandidat, und ihr bester Spieler, Chipper Jones, machte sich im stockkonservativen Süden zuletzt mit dem öffentlichen Bekenntnis zu diversen Affären und einem unehelichen Sohn unbeliebt.

Niemand hat so viele Spiele gewonnen in den 90er-Jahren wie die Braves, aber zum großen Titel hat es nur einmal, im Jahre 1995, gereicht. Sollten die Braves auch diesmal wieder geschlagen zurück nach Atlanta fahren, und danach sieht es momentan aus, wäre das die vierte World Series in diesem Jahrzehnt, die sie verloren hätten.

Allerdings: Vielleicht wiederholt sich ja die Geschichte. Als die beiden Teams vor drei Jahren zum letzten Mal in der World Series aufeinandertrafen, gewannen die Braves die beiden ersten Spiele in New York klar und deutlich. Die folgenden vier gingen an die Yankees, die ihren ersten World-Series-Erfolg in den 90ern einfuhren. Auch David Cone, der Pitcher, der am Sonntag Spiel zwei für die Yankees gewann, warnt: „Die können ganz schnell heiß laufen.“ Vor allem weil es bisher so aussieht, als wären nicht die Yankees überragend, als vielmehr die Braves in der Offensive zu schwach.

Sollte sich die Geschichte tatsächlich mit vertauschten Rollen wiederholen, wären die Braves doch noch zum Team des Jahrzehnts geworden. Den Yankees bliebe so oder so der bedeutendere Titel: Team des Jahrhunderts.