Klarer Wahlsieg für Argentiniens Opposition

Die bisher regierenden Peronisten erleiden eine schwere Niederlage. Das Mitte-links-Bündnis unter dem neuen Präsidenten de la Rúa verspricht den Kampf gegen Vetternwirtschaft im Lande  ■   Aus Buenos Aires Ingo Malcher

Punkt sechs Uhr abends entfuhr den Anhängern des Oppositionsbündnisses Alianza ein Freudenschrei: 15 Prozent Vorsprung für ihren Kandidaten Fernando de la Rúa meldete die erste Hochrechnung nach Schließung der Wahllokale. Am Ende des Abends brachte es de la Rúa auf 48,6 Prozent der Stimmen, der Kandidat der regierenden Peronisten, Eduardo Duhalde, liegt mit 37,9 Prozent weit abgeschlagen hinter ihm. Damit ist kein zweiter Wahlgang nötig, de la Rúa hat es auf Anhieb geschafft. „ Menem, es ist für dich, sieh es dir im Fernsehen an“, grölten die Alianza-Anhänger für den scheidenden peronistischen Präsidenten Carlos Menem, der verfassungsgemäß abdanken muss.

Der Platz um den Obelisken, dem Wahrzeichen von Buenos Aires, glich einem Fahnenmeer. Hier werden traditionsgemäß Wahlsiege und Fußballmeisterschaften gefeiert. Gegen Mitternacht tanzten dort tausende von Alianza-Anhängern und feierten den Wechsel nach zehn Jahren peronistischer Regierung. Die 14-spurige Straße Avenida 9 de Julio musste gesperrt werden. „Gott sei Dank haben wir wieder eine würdige Regierung“, schrieb ein Rentner auf ein Pappschild, das er um den Hals hängen hatte.

De la Rúa hat die Menge warten lassen. Endlich kommt er. „Buenas Noches“ ruft er von seinem Kampagnenbus ins Mikrofon und verspricht den „moralischen Wechsel“. Er bleibt erstaunlich gelassen und verkneift sich einen Seitenhieb auf die am Boden liegenden Peronisten. Den Abertausenden verspricht er „eine soziale Entwicklung, die alle integriert“.

Sein Gegner Duhalde wurde von seiner Partei im Stich gelassen. Da er nicht der Wunschkandidat des allmächtigen Präsidenten Carlos Menem war, musste Duhalde auf einen Großteil des peronistischen Wahlkampfapparates verzichten. Bei nur ganz wenigen Wahlkampfauftritten Duhaldes stand Menem neben ihm auf der Bühne. Als Gouverneur der Provinz Buenos Aires war Duhalde ein autoritärer Regierungschef. Er zählt zum traditionellen Sektor der peronistischen Partei. Am Wahlabend sagte er: „Die Leute haben den Wechsel gewollt. Ich weiß, dass die Alianza nicht der Wechsel ist, ich hoffe, die Wähler haben sich nicht geirrt.“

Bei den gleichzeitig abgehaltenen Wahlen zum Gouverneur der Provinz Buenos Aires musste die Alianza jedoch eine empfindliche Niederlage einstecken. Ihre aus der Menschenrechtsbewegung stammende Kandidatin, Graciela Fernandez Mejide, und der peronistische Rechtsausleger Carlos Ruckauf lieferten sich bis in die späten Nachtstunden ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Ende hatte Ruckauf einen Vorsprung von sechs Prozent. Das ist sehr schmerzhaft für de la Rúa und wird ihm eine harte Zeit im Präsidentenpalast bescheren. Die Provinz Buenos Aires ist die wichtigste und mächtigste Provinz des Landes. Mehr als die Hälfte aller staatlichen Gelder fließt dorthin.

Der neue Präsident hat den Senat und die Mehrheit der Gouverneure gegen sich, und er steht vor enormen wirtschaftlichen Problemen. Die Auslandsschuld von etwa 170 Milliarden Dollar ist nicht zu bezahlen, und die Eins-zu-eins-Parität des argentinischen Peso gegenüber dem Dollar überteuert argentinische Waren auf dem Weltmarkt und lässt die Exporte schrumpfen. Sinkende Rohstoffpreise haben zusätzlich dafür gesorgt, dass das Land in einer schweren Krise steckt. Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 15 Prozent, Die versteckte beträgt nochmals weitere 15 Prozent. Von den 36 Millionen Argentiniern leben 10 Millionen in Armut.

Der Wahlkampf war entpolitisiert. De la Rúa wie Duhalde hielten sich mit programmatischen Aussagen zurück. Inhaltlich unterschieden sich beide Kandidaten marginal, ihr Image zählte. Das gab am Ende den Ausschlag für den Kandidaten, der vor allem Maßnahmen gegen die Korruption und Vetternwirtschaft versprach.

Porträt Seite 13