54 Jahre Zeit zum Verdrängen

Der Keller am Bullenhuser Damm, in dem 20 jüdische Kinder 1945 ermordet wurden, wird zum echten Ort der Erinnerung ausgebaut  ■ Von Peter Ahrens

Es hat 54 Jahre gedauert. So lange hat die Stadt Hamburg gebraucht, um für die ermordeten Kinder vom Bullenhuser Damm eine Gedenkstätte zu schaffen, die diesen Namen verdient. „Endlich“ sagt auch der Staatsrat der Kulturbehörde, Gert Hinnerk Behlmer, als er gestern den Senatsbeschluss zum Ausbau und zur Vergrößerung der Gedenkstätte in Rothenburgs-ort bekannt gibt. 440.000 Mark lässt der Senat sich das kosten. Eröffnet wird der Ort der Erinnerung am 27. Januar 2000, dem 55. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz.

Der Keller am Bullenhuser Damm 72 am 20. April 1945: Die Alliierten stehen fast vor der Tür, da werden 20 jüdische Kinder, an denen die Nazis medizinische Experimente vorgenommen hatten, von ihren Peinigern ermordet. Mit ihnen sterben zwei französische Ärzte, zwei Pfleger aus Holland und 24 sowjetische Kriegsgefangene. Die Nazis wollten keine Zeugen, fast wären sie damit durchgekommen: Über Jahrzehnte geraten die Morde in Hamburg in Vergessenheit. „Ein lange verdrängtes Verbrechen in der Stadt“, räumt Behlmer ein und sagt: „Die Erinnerung daran braucht einen Ort, an dem Trauer und Mahnung auf Dauer spürbar bleiben.“

Das war zuletzt überhaupt nicht der Fall: Das Gebäude steht seit Jahresbeginn leer, der Keller, den man zuvor zumindest noch besichtigen konnte, ist seitdem nicht mehr öffentlich zugänglich; lediglich die Dusch- und Umkleideräume wurden von einem Sportverein genutzt.

Das soll anders werden. Die Gedenkstätte wird von allen anderen Nutzungen des Gebäudes räumlich strikt getrennt. Das heißt: Duschräume müssen verlegt werden, das macht den Großteil der Kosten aus. Der bisherige Umkleideraum wird Eingang und der Keller, in dem die Kinder vor ihrer Ermordung ausgezogen und betäubt wurden – bisher eine Abstellkammer – , in die Gedenkstätte integriert.

Geöffnet wird künftig an jedem Sonntag und wahrscheinlich an einem weiteren Tag in der Woche sein. Das ist nicht gerade oft, aber Behlmer verteidigt das Konzept: Erfahrungen zeigten, dass solche Orte „nicht einfach so im Vorübergehen besucht“ würden. Die meisten Leute würden sich anmelden, und dann könne man flexibel öffnen. „Aber eine Gedenkstätte offenzuhalten, die nicht besucht wird, ist sinnlos.“

Der Staatsrat sicherte zu, dass die Arbeit, die die private „Vereinigung der Kinder vom Bullenhuser Damm“ um den Erhalt der Stätte geleistet habe, in der Ausstellung zur Gedenkstätte entsprechend gewürdigt werde. Was aber noch wichtiger ist: Dort soll auch die skandalöse juristische Aufarbeitung des Verbrechens ohne Abstriche angesprochen werden.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte in den 60er Jahren die Ermittlungen gegen den SS-Ober-sturmbannführer Arnold Strippel, einen der Mörder, mit der Begründung eingestellt, den Kindern sei „über die Vernichtung ihres Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden“.