Last Exit Bitter-Trasse: Gong zur letzten Runde

■ Letzter Strohhalm für Anwohner: Vor dem Ober-Verwaltungsgericht wurde gestern die erste Normen-Kontroll-Klage gegen den Bau der Trasse verhandelt

Im Foyer der Villa des Oberverwaltungsgerichts tobte gestern lautlos der zukünftige Stadtverkehr. Nicht in echt natürlich, und auch nicht zum Anfassen – aber als computeranimierte Simulation auf einer Leinwand kamen die Verkehrsflüsse recht überzeugend daher. LKW waren lange schwarze Knoddel, Autos sahen aus wie blaue Ameisen. Auch Radfahrer und Fußgänger bewegten sich, von oben gesehen, durch einen Teil der Stadt.

Der gezeigte Ausschnitt: Die berühmte Georg-Bitter-Trasse. Verhandelt wurde gestern der erste von drei Normenkontrollanträgen gegen die neue Straße zwischen Erdbeerbrücke und Bismarckstraße. Die Anwohner der Georg-Bitter-Straße wollen, dass der Bebauungsplan zurückgenommen wird, weil sie erhebliche Verkehrsbelastungen fürchten. Die gegnerische Stadtgemeinde hatte zur Untermauerung ihrer Argumentation das Siemens-Simulationsprogramm „Simula“ aufgefahren, und siehe: Reibungslos werden sich auch zu Stoßzeiten im Jahr 2005 die schwarzen Knoddel und blauen Ameisen durch die neue Straße bewegen.

Die Simulation konnte die Anwohner naturgemäß nicht überzeugen. Bemängelt wurde unter anderem, dass die drei Straßenbahnlinien, die die Trasse kreuzen sollen, nicht berücksichtigt wurden. Denn mit der geplanten Ampel-Vorzugs-Schaltung käme es an der Stelle unweigerlich zum Auto-Stau. Die Kommentare der zahlreichen Gäste reichten von „nettes Spielzeug“ bis „Manipulation statt Simulation“.

Drei Haupt-Argumente haben die Anwohner, warum der Bebauungsplan zurückgenommen werden soll: Mit der Georg-Bitter-Trasse komme es nicht zu einer versprochenen Bündelung des Verkehrsflusses in die Stadt. Außerdem würden die betroffenen Wohngebiete durch die neue Straße nicht breitflächig vom Verkehr entlastet. Und schließlich zweifelte man das Zahlenwerk der Planer an: Die Stadt hatte vorgerechnet, dass nach dem Bau rund 810 Bewohner der Stader Straße erheblich vom Verkehr entlastet würden, während rund 190 Menschen neu durch den Straßenbau belastet würden. Die Anwohner allerdings rechnen, dass mindestens 800 Menschen neu belastet würden und die Anwohner der Stader Straße auch in Zukunft vom Durchgangsverkehr nicht verschont bleiben. „Selbst Mozart würde die Unterschiede zwischen vorher und nachher nicht hören“, meinte der Anwalt der Anwohner. Die Abgeordneten der Bürgerschaft hätten ihre Entscheidung zum Bau der Trasse also auf Grundlage falscher Annahmen gefasst.

Die Vertreter der Stadtgemeinde waren ganz anderer Meinung. Mit der Trasse werde es zu einer „flächenhaften Verkehrsentlastung“ kommen. Argumente, dass bei der Planung fehlerhaft gearbeitet worden sei, seien nicht aufgetaucht. Und eine ähnliche Simulation für den Bahnhofsvorplatz habe gezeigt, dass kaum ein Unterschied zwischen Realität und Virtualität bestehe. Also: Weitermachen.

Der Richter machte den Anwohnern von Anfang an wenig Hoffnung, dass Ihre Einwände Erfolg haben würden. Über die Lärmschutzwand, deutete er an, könne man immerhin noch einmal reden. Bisher ist eine 2,50 Meter hohe Wand geplant, die die oberen Stockwerke der Häuser nicht abdecken würde. Die Entscheidung des Gerichts, ob der Bebauungsplan aufgehoben wird, soll den Kontrahenten nun schriftlich zugehen.

Christoph Dowe