Ostgenossen wollen mit einer Stimme sprechen

■ Der Lichtenberger SPD-Kreisvorsitzende Andreas Geisel, der seit kurzem als Ostvertreter dem Landesvorstand angehört, räumt ein: Ostgenossen haben Ostinteressen nicht genügend vertreten

taz: Herr Geisel, warum hat der Landesausschuss so klar für Koalitionsgespräche gestimmt?

Andreas Geisel: Eine klare Mehrheit hat erkannt, dass die SPD in der Opposition ihre eigenen Ziele nicht umsetzen kann. Wie das gehen soll, konnten die Koalitionsgegner nicht erklären.

Nach den hohen Wahlverlusten im Ostteil der Stadt haben sich die Kreisvorsitzenden dort wieder stärker verbündet. Ist das zehn Jahre nach der Einheit nicht anachronistisch?

Wir haben nicht die Absicht, neue Gräben aufzureißen. Aber wenn Sie sich die Wahlanalysen anschauen, haben wir faktisch eine gespaltene Stadt. Wir wollen nicht rumjammern. Wir haben selbstkritisch festgestellt, dass wir uns stärker zu Wort melden müssen.

Die Ostgenossen hätten sich im Britzer Kreis der Parteirechten oder im Donnerstagskreis der Parteilinken einmischen können. Warum organisiert man sich jetzt wieder als Ostgremium?

Neun von elf Ostkreisvorsitzenden gehören dem Britzer Kreis an. Es hilft aber nichts, wenn man dort seine Position nicht deutlich macht und auch durchsetzt.

Werden die Ostkreisverbände geschlossen für oder gegen eine große Koalition stimmen?

Wir haben vereinbart, dass wir uns stärker in die SPD einbringen wollen. Das geht nur, wenn nicht einzelne Bezirke mit ihren paar Delegierten eine Extralinie fahren. Wir werden erst wahrgenommen, wenn wir mit unseren 70 Stimmen auftreten. Ob es ein einheitliches Abstimmungsverhalten geben wird, kann ich noch nicht sagen. Aber wir wollen uns in jedem Fall vorher abstimmen.

Welche Themen brennen im Ostteil der Stadt auf den Nägeln?

Das sind gesamtstädtische Themen, die im Ostteil der Stadt besonders sensibel wahrgenommen werden, zum Beispiel die Bildungspolitik. Die Eltern interessieren sich dort mehr für die Sanierung der Schulbauten als für Modelle einer Schulreform.

Gibt es denn in der Koalitionsfrage spezifische Ostinteressen?

In der Koalitionsfrage ausdrücklich nicht, aber in dem, was eine Koalition umsetzen muss, sehr wohl. Deswegen bin ich sehr zufrieden, dass sich SPD und CDU bei ihren Vorgesprächen auf die vordringliche Schulsanierung geeinigt haben.

Reicht das?

Nein. Die SPD muss sich wieder verstärkt für die Angleichung der Löhne in Ost und West einsetzen. Das Thema hat uns die CDU weggenommen. Ich stelle selbstkritisch fest, dass wir das in den letzten Jahren zu wenig fomuliert haben. Entsprechend waren auch die Wahlergebnisse.

Rechnen Sie damit, dass der Parteitag grünes Licht für Koalitionsverhandlungen gibt?

Ja. Zwar sind viele nach wie vor gespalten: Der Bauch sagt das eine, der Kopf das andere. Ich rechne aber damit, dass der Parteitag nach dem Kopf entscheidet.

Interview: Dorothee Winden