Mach dich locker, Baby!

■ Im Kino: Zähmung einer Widerspenstigen, aber auf flockig runtergeschraubt – in der Teenagerkomödie „10 Dinge, die ich an dir hasse“ vollbringt die Liebe immer noch Wunder

Kat ist ein Monster. Sie trägt Armeehosen und fährt die verrostetste Blechkiste der Schule. Wenn ihr jemand in die Quere kommt, fährt sie ihm eine Beule ins Auto oder beschert ihm einen Hodenbruch. Unbeliebt zu sein ist für sie eine Charakterstärke: Statt auf Partys zu gehen, tanzt sie mit ihrer einzigen Freundin Mandella, die sich aufputzt wie Lady Macbeth. Sie ist Fan von Bikini Kill und allen Mädchenbands, die „bevorzugt bei Indie-Labels unter Vertrag sind“, wie sie sagt. Die Wand in ihrem Mädchenzimmer ist tapeziert mit Joan-Jett- und Chrissi-Hynde-Postern. Statt sich nach der Schule zu verabreden, treibt sie sich nachmittags lieber in Gitarrenläden rum. Oder sie geht in Bibliotheken und liest Sylvia Plath. Im Literaturunterricht ist sie ein Crack und fordert von ihrem schwarzen Lehrer eine stärkere Berücksichtigung feministischer Literatur. Und auch als der sie rausschmeißt, weil er solch Gefasel saturierter bürgerlicher Ziegen nicht erträgt, weiß man ganz genau: Kat ist nicht nur pädagogisch wertvoll, ein super Vorbild für alle unter 20, sie ist wirklich toll. Die Newcomer-Schauspielerin Julia Stiles, jetzt wird sie sicher bald reich und berühmt, wäre sowieso außer Stande, Kat als eine verkrampfte Verbiesterte zu zeigen.

So weit die Schokoladenseite. Das Problem ist: Kat ist nur eine Figur in einer dieser unzähligen neuen, unheimlich profitablen Teenagerkomödien. „10 Dinge, die ich an dir hasse“ erzählt Kats Geschichte wie Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“, aber auf flockig runtergeschraubt. Und weil idiotensicher besser kommt – so will es die neue Zielgruppe, so wollen's die alten Regeln –, kippt der Film nach der Hälfte: Es folgt die Zähmung der großartigen Kat. Es geht um die erprobte Maxime: „Mach dich locker, Baby.“ Heißt: „Werde so, wie ich dich haben will.“

Genauer gesagt stört sich Kat nicht die Bohne am väterlichen Verbot, sich mit Jungs zu treffen. Ganz anders ihre bescheuerte Schwester Bianca, pretty und populär wie Britney Spears, auf die alle scharf sind. Doch der Vater, mit Leib und Seele Gynäkologe, weiß Bescheid und hat sich clever ausgedacht: So lange Kat kein Date hat, darf auch Bianca nicht raus. Biancas größter Fan, der Milchbubi Cameron, besticht also den brandgefährlichen Schulrebellen Patrick, der im Knast gesessen haben soll, sich für ein paar Dollar mit Kat zu verabreden. Die beiden verlieben sich, es folgen witzige Wortgefechte, Irrungen und Wirrungen, dann wird alles gut. Patrick outet sich als ganz normaler Junge, singt wie Frank Sinatra Lauryn Hills „Can't take my eyes off from you“ für Kat und eröffnet ihr die Jungsdomäne Pop: Engagiert die örtliche Mädchenband zum Abschlussball und schenkt ihr zur Versöhnung die teure Gitarre, die man halt einfach braucht für 'ne Band.

Am Schluss ist alles gerade gerückt: Cameron, kaum Flaum über der Lippe, kriegt erklärt, dass man in diesem Lande alles haben kann, was man will und kriegt. Bianca, Kat und Vater führen ein Gespräch auf ihrer idyllischen Zuckerbäckerveranda im sicheren amerikanischen Vorort. Der neurotische Vater entspannt sich beim Ausblick auf solche Schwiegersöhne, Kat wird zum Studieren weit weg und Bianca nach Herzenslust knutschen dürfen. In einem Zoom erscheint die anfangs verrucht wirkende Schule plötzlich wie ein pit toreskes Schlösschen, in dem rein gar nichts passieren kann. Und am Schluss ist Kat gebändigt. Freiwillig liest sie beim schwarzen Lehrer ihre Hausaufgabe vor, ein eigenes Gedicht: ein sanftes Liebesgedicht für Patrick. Frei nach Shakespeare: „Dies Wunder tat die Liebe.“ Susanne Messmer
‚/B‘„10 Dinge, die ich an dir hasse“. Regie: Gil Junger. Mit: Heath Ledger, David Krumholtz, Alison Janney. USA 1998, 97 Min.