Schießen gehört dazu und macht Spaß“

■ Imke Seidel ist Oberbootsfrau, eine Art Oberfeldwebel, im Sanitätsdienst der Marine. Nicht die Pin-ups und Männerwitze stören sie, sondern der für sie eingeschränkte Zugang zur Bundeswehr

taz: Viele junge Männer machen drei Kreuze, wenn sie nicht zur Bundeswehr müssen. Warum sind Sie freiwillig hingegangen?

Imke Seidel: Ich war 18 und wollte mich noch orientieren. In der Bundeswehr kann man sich ausprobieren. Es war auch die Abenteuerlust, als Erste in die Männerdomäne einzubrechen. 1991 konnten Frauen zum ersten Mal Unteroffizier werden. Außerdem sind die Berufsperspektiven gut. Ich habe eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht.

Wie war es denn als Frau bei den berüchtigten Märschen in der Grundausbildung?

Der erste Marsch ist immer der schlimmste, mit dem schweren Rucksack können das unendliche Weiten sein. Damit haben alle gleichermaßen Schwierigkeiten gehabt. Aber als Ausbilderin habe ich Frauen erlebt, die waren einsfünfzig groß, man sah nur noch zwei Beine unter dem Rucksack. Die sind losgelaufen, als hätte man auf einen Knopf gedrückt, und man musste wieder auf den Knopf drücken, um sie anzuhalten. Ich habe auf militärischen Lehrgängen auch die Rucksäcke von Männern noch auf dem Bauch getragen, weil sie nicht mehr konnten.

Sind Sie groß und kräftig?

Na ja, ich bin einssechzig groß, aber kräftig bin ich schon.

Macht Ihnen Schießen Spaß?

Man kann sich eigentlich sowieso nicht vorstellen, dass dieser Pappkamerad da ein Mensch aus Fleisch und Blut ist. Von daher ist das Training mit der Waffe nicht anders als in der Schießbude. Es gehörte dazu und machte Spaß.

Haben die Rekruten Sie als Ausbilderin gleich akzeptiert?

Anfangs war es ziemlich hart. Wenn ein Zweimetermann von einer Figur von einssechzig Befehle bekommt, sieht das albern aus. Die Rekruten waren auch nicht viel jünger als ich, da fehlte manchmal die persönliche Autorität.

Was hat Sie geärgert?

Dass die Männer mir nichts zugetraut haben. Aber heute bin ich ganz froh drum, weil ich dran gewachsen bin. Ich hätte nie so viel gelernt, wäre ich nicht in diese Situation gekommen.

Gab es Witze, über die Sie überhaupt nicht lachen konnten?

Nein, ich bin da hartgesotten. Wenn Männerwitze kommen, hab ich kein Problem damit.

Fühlten Sie sich belästigt, etwa von Pin-ups an Spinden?

Ach mein Gott, wenn die sonst nix haben. Wir hatten auch Frauen, die hatten dann im Gegenzug in ihren Spinden dann Männerbilder.

Wird das Militär durch Frauen weiblicher oder werden die Frauen durch das Militär männlicher?

Weder noch, es wird leistungsstärker, denn die Frauen, die da hingehen, die wollen dahin, die wollen etwas leisten.

Wenn Ihnen alle Laufbahnen bei der Bundeswehr offen stünden, was wären Sie geworden?

Oh, ich wäre zur See gefahren. Meine ganze Familie fährt zur See. Oder ich hätte versucht, auf nen Hubschrauber zu kommen.

Können Sie nachvollziehen, warum das nicht geht?

Nein, übehaupt nicht. Unsere Nachbarländer machen es doch vor. Und die Amerikanerinnen fliegen Helikopter mit Waffen.

Sollen Frauen auch ins Kampfgebiet?

Wenn man sich die Erfahrungen der US-Armee ansieht, dann muss man das wohl einschränken. Im Golfkrieg sind weibliche Gefangene vergewaltigt worden. Aber es gibt ja viele Bereiche außerhalb des Kampfgebietes.

Kann man das klar trennen?

In Gefahr ist man natürlich immer. Aber man kann auch im Lazarett unter Beschuss geraten, wo Frauen jetzt schon eingesetzt werden. Es ist aber natürlich weniger gefährlich, als mit der Streife auf eine Mine zu fahren.

Interview: Heide Oestreich