Grüner Punktsieg macht der Basis Appetit auf mehr

■  SPD kommt den Grünen beim Streit um die Panzerlieferung an die Türkei entgegen. Landesverbände wollen trotzdem Aktionen

Berlin (taz) – Während der rot-grüne Koalitionskompromiss über das weitere Vorgehen im Streit um die Panzerlieferung an die Türkei bei vielen grünen Bundestagsabgeordneten auf Zustimmung stößt, macht sich in den Bundesländern Unmut breit. Vor allem dort, wo demnächst Landtagswahlen anstehen.

Am späten Montagabend hatten sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen darauf verständigt, die Richtlinien für Waffen- und Rüstungsexportgeschäfte zu verschärfen und die Lieferung von 1.000 Leopard-II-Panzern an die Türkei von einer nachweisbaren Verbesserung der Menschenrechtssituation abhängig zu machen. Die Grünen bestehen außerdem darauf, dass die Lieferung eines Testpanzers an den Nato-Partner Türkei eine falsche Entscheidung sei, die aber nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.

„Alles andere als zufriedenstellend“ nannte die schleswig-holsteinische Landesvorstandssprecherin der Grünen, Monika Obieray, diese Entscheidung. Obieray schloss gegenüber der taz nicht aus, dass ihr Landesverband eine eigene Unterschriftenliste gegen die Panzerlieferung starten wird, obwohl die Bundespartei sich am Montag gegen eine solche Aktion ausgesprochen hat. In Nordrhein-Westfalen, wo im Mai nächsten Jahres Landtagswahlen stattfinden, stellt sich der Landesverband zwar hinter die Bundespartei, doch an der Basis rumort es: Verlasst euch nicht mehr auf uns“, drohen etwa die Grünen in Bielefeld.

Die parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfeministerium, Uschi Eid (Grüne), rechnet nicht damit, dass in zwei Jahren ein Panzergeschäft mit der Türkei zustande kommt. Denn die Menschenrechtsbedingungen dort würden sich nicht so schnell ändern, sagt sie im taz-Interview. Auf eine mögliche Unterschriftenkampagne ihrer Partei angesprochen, sagt Eid, sie glaube nicht, dass „die Grünen-Fraktion jetzt auf den außerparlamentarischen Arm setzen sollte“.

Auch in der Union ist man sich über die Panzerlieferung nicht einig. „Im Kern“ sei die Entscheidung der Bundesregierung gut, sagte CDU-Chef Wolfgang Schäuble und räumte der Türkei eine Chance ein, bis zur tatsächlichen Lieferentscheidung ihre Menschenrechtspolitik verbessern zu können. Dagegen kritisierte der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für EU-Angelegenheiten, Friedbert Pflüger, die Lieferung des Leopard-II-Panzers. „Damit heizt die Regierung das Rüstungsrennen zwischen Griechenland und der Türkei an.“ Er bezweifelt, dass die Regierung nach dem gelieferten Testpanzer noch die Möglichkeit hat, eine Lieferung von 1.000 Panzern abzulehnen: „Wenn sie da Nein sagt, dann erniedrigt sie die Türkei.“ Karin Nink

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