Reiches Hamburger Leben

Eine Ausstellung im Rathaus zeigt das Leben sefardischer Juden, die im 16. Jahrhundert von Portugal nach Hamburg kamen  ■ Von Hajo Schiff

meinde in Hamburg und Altona ein kulturellesZentrum bildeten. Ihre Geschichte wird im Medienpack zugleich auf Stelltafeln um acht der dicken Säulen in der Rathausdiele sowie komplett in der Katalogbroschüre und demnächst im Internet ausgebreitet. Und bis 1933 stellt sie sich, trotz mancher Ressentiments und Restriktionen als Erfolgsgeschichte dar.

Allerdings konzentriert sich das nun im Rathaus demonstrierte Leben der reichen und gebildeten jüdisch-portugiesischen Oberschicht eher in Altona, jener liberaleren Nachbarstadt unter der dänischen Krone, die schon 1619 Handels-, Abgaben- und Religionsfreiheit anbietet.

Die im Waren- und Geldhandel erfolgreichen portugiesischen Großkaufleute beherrschen den Zucker-, Gewürz- und Silberhandel, sind an der Gründung der Hamburger Bank beteiligt, als Seeversicherer und als Makler an der Börse tätig. Sie führen luxuriöse Häuser, verbreiten Sprache, Küche und Kultur der internationalen Kolonialmacht Portugal und verblüffen die Zeitgenossen mit so sichtbar exotischem Besitz wie schwarzer Dienerschaft - Sklavenhandel war schließlich auch nur ein ganz normales Geschäft.

Mit diplomatischen Missionen und den weitgespannten Beziehungen nach Amsterdam, zur iberischen Halbinsel, aber auch in das osmanische Reich zeigen sich die sefardischen Kaufherren, Ärzte, Wissenschaftler, Gelehrte, Übersetzer und Rabbiner als die wahren Europäer, die im 17. Jahrhundert eine kaum gekannte Offenheit ins sonst eher doktrinär-protestantische Hamburg bringen.

Doch ab 1933 bleibt vielen der verbliebenen portugiesischen Juden nicht anderes, als nach Portugal zurückzuflüchten. Dennoch wird noch 1935 in der Innocentiastraße eine neue Esnoga (Synagoge) durch die Rabbiner Selomo Rodrigues Peireira aus Den Haag und Joseph Carlebach aus Altona eingeweiht. Doch nach vier Jahren sind alle restlichen Hoffnungen vergeblich, das Dritte Reich treibt die Diskriminierung zur tödlichen Konsequenz. Über achtzig Mitglieder der sefardischen Gemeinde können der Mordmaschine nicht entkommen. Nach 1945 gibt es kaum mehr Hinweise auf die lange gemeinsame Geschichte: Die Synagogen sind anderweitig genutzt, abgerissen oder durch Bomben zerstört, nur der 1611 gegründete Friedhof in der Königstraße mit seinen kunstvoll gestalteten Gräbern ist trotz aller Schändungen geblieben. Dass Hamburg heute mit über zehntausend hier lebenden Portugiesen das größte Auslandszentrum Portugals in Deutschland ist, ist eine andere Geschichte, keine jüdische mehr.

„Jerusalem do Norte", Rathausdiele, Mo - Fr 9 - 18, Sa + So 11 - 13 Uhr, bis 16. November. Katalog 12 Mark. www / Hamburg.de/Behoerden

Statt mahnender Worte und Betroffenheitskult in Sachen jüdischer Mitbürger mal richtig stolz sein auf alte Zeiten: Mit dem historisch belegten, gleichwohl großsprecherischen Titel „Jerusalem des Nordens“ wirbt eine Ausstellung im Rathaus zur herbstlichen Erinnerung. Zur Wiederkehr des als „Kristallnacht" bekannten Pogromtages vom 9. November wird hier nicht unmittelbar die Verfolgung, sondern die historische Bereicherung hanseatischen Lebens durch die sefardischen Juden ins Gedächtnis gerufen.

Senator Willfried Maier hat die Ausstellung Dienstagabend vor Gästen wie einigen Nachfahren der alten sefardischen Fami- lien, dem Konsul Portugals sowie der Bischöfin im prächtigen Kaisersaal eröffnet. Sie ist den Juden gewidmet, die ab 1580 von der katholischen Inquisition aus Portugal vertrieben wurden, sich an der Elbe nieder- ließen und in der Mitte des 17. Jahrhunderts mit einer über tausendköpfigen Ge-