Rave und Respekt

■ Funk aus Ecken und Kanten: Hätte Techno eine Bundesliga, dann hieße WestBams Discothek wohl Bayern München

Es ist ein altes Lied. Das Streitbare, Widerborstige und nach allen Regeln der Kritik nicht Einzuordnende scheint heutzutage kaum noch auffindbar. Die Welt gehört denen, die mit den Wölfen heulen. Nehmen Sie nur einmal den Sport: Agassi, vormals einer, der gerne mal wenigstens gegen die Kleiderordnung verstieß, – nun liebt ihn die Welt in den Armen von Steffi. Raus ist auch ein gewisser Mario Basler, nicht jedoch ausgeschieden aus dem Kreis der Rebellen, sondern vom Scherbengericht rausgemobbt aus der Herde glatt geschorener Schäfchen des Profifußballs.

Gäbe es so etwas wie eine Techno-Bundesliga, ein gewisser Maximilian Lenz hätte wohl nie den richtigen Verein gefunden. Gott sei Dank ist elektronische Musik jedoch so organisiert, dass es jedem einzelnen jederzeit freisteht, seinen eigenen Verein zu gründen, mit eigenem Regelwerk und Kassenwart. So einen Verein nennt man Label, und so gründete Herr Lenz, besser bekannt unter seinem DJ-Pseudonym WestBam, vor etwa zehn Jahren mit ein paar Gleichgesinnten „Low Spirit“, ein schon bald sehr erfolgreiches Dance-Label, das wie kein anderes ganz nach dem Bayern-München-Prinzip beneidet, gehasst und geliebt wurde.

Während nun die einen bis heute nicht verstanden haben, was an WestBams umfassenden Ouvre so interessant und relevant ist, bestand für andere der besondere außermusikalische Reiz immer auch darin, sich mit einem Protagonisten eines anderen kulturellen Ansatzes so richtig schön streiten zu können. So war WestBam zwar auch immer die Art Künstler, die gerne von allen geliebt wird, seine sture Aura des Großmeisters ließ ihn doch stets zwischen den Extremen von Respekt und Verachtung hin und herpendeln. Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet, die allgemeine Verbrüderung von Under- und Overground verlagert das Schlachtfeld nun nach alter Street-Tradition hinter die Plattenspieler.

Mit seinem Projekt Mr. X & Mr. Y., gemeinsam betrieben mit dem HipHop-Urgestein Africa Islam aus Los Angeles, landet er dieser Tage nicht nur einen veritablen Clubhit nach dem anderen, sondern genießt nun auch verstärkt den Respekt vormaliger Kritiker und Nörgler.

Die fulminante Turntable-Show der beiden DJ-Titanen bereist im Zuge des bereits erschienenen Albums New World Order die coolen, kleinen Clubs der Republik und sollte dabei endlich auch die letzten Zweifler davon überzeugen, dass der richtige Funk eben aus Ecken und Kanten geboren wird.

Tobias Thomas

heute, Phonodrom (mit Egoexpress & Filip Fuentes), 22 Uhr