In der Wirtschaft ohne Volk

■ Exotisch-Idiomatisches aus Österreich: Der Krimiautor Wolf Haas liest heute in den Kammerspielen aus „Silentium“

Ein Verbrechen, weißt du, ist ja immer vor allem was, wovon man erzählen kann, nicht, abends beim Bier oder so. Wenn einem der Gesprächsstoff ausgegangen ist, oder wenn man was erklären will. – Solcherart Erzählsituationen benutzt der Österreicher Wolf Haas als Ausgangspunkt für seine Romane, in denen der Privatdetektiv Brenner fast widerwillig bizarr-komische Austro-Morde aufklärt.

„Wie schlampig dahergetratschte Alltagsgeschichten“ sollen seine Krimis daherkommen, sagt Haas. In einer stark ans mündliche Erzählen angelehnten Sprache teilt uns der namenlose Erzähler in Silentium mit, wie zum Beispiel ein ehemaliger Klosterschüler in 23 Teile zerhackt und dann im Tischfußballtisch seiner alten Schule verstaut wird. „Jetzt wirst du sagen, der René ist es bestimmt nicht gewesen.“ Ein bisschen liest sich das so, als würde es von einem angetrunkenen Mittvierziger erzählt, der sich im Zug von Salzburg nach Wien neben einen gesetzt hat.

Es ist ebendieser Ton, der in Haas' Romanen im Mittelpunkt steht. Er liefert den Rahmen, ersetzt die krimiüblichen Millieubeschreibungen und Lokalkoloraturen fast völlig und treibt die Charaktere in seinem freien Rhythmus nach links, rechts und nach vorne. Aber keine Angst, hier wird nicht gevolkstümelt. Haas destilliert aus den Elementen dieser Alltagssprache ein sehr künstliches Idiom, das den Wirtshauston mit viel Spaß benutzt, sich aber gleichzeitig darüber lustig macht. Da wird auf das Wildeste abgeschweift, dauernd etwas vereinfacht und manchmal haidert es fast ein bisschen. Aber eben so, dass man es merken und irritiert darüber grinsen muss.

Und dann ist da ja auch noch der Brenner, der Nachbar und gleichzeitige Enkel vom Studer, Friedrich Glausers berühmtem Zürcher Detektiv. Ähnlich planlos und intuitiv detektiert er durch die Berge, und es ist erleichternd zu lesen, wie hier, anstatt eine peinliche hard-boiled-auf-Österreichisch-Übersetzung abzuliefern, eine der nach über 60 Jahren immer noch clevers-ten deutschsprachigen Detektivfiguren beerbt wird. Die zynisch-ironische Durch-den-Kakao-Zieherei von Alltags- und Popkultur (Modell Stucki oder Schmidt), wie sie sich auch bei Haas an allen Ecken findet, mag man völlig zu Recht einfach satt haben. Trotzdem amüsieren diese Alpinthriller durch ihre Figuren und ihre ganz eigene, für Hamburger sicherlich auch exotische Kunstsprache.

Georg Felix Harsch

heute, 21 Uhr, Kammerspiele, Logensaal; Wolf Haas: „Silentium“. Roman. rororo thriller, Reinbek 1999, 223 Seiten, 12,80 Mark