Jetzt wird die Ems passend gemacht

■ Lange erwartet, jetzt vom Verwaltungsgericht Oldenburg entschieden: Das umstrittene Emssperrwerk in Gandersum darf weitergebaut werden / Reaktionen von Betroffenen vor Ort

Jubel und Genugtuung bei den Planern des umstrittenen Emsperrwerkes im niedersächsischen Gandersum. Enttäuschung und Niedergeschlagenheit bei den Umweltverbänden WWF, BUND, NABU und LBU. Vor einem Jahr verhängte das Oldenburger Verwaltungsgericht einen Baustopp gegen das Sperr- und Stauwerk in der Emsmündung. Jetzt hat das gleiche Gericht weitgehend die Einwände der Naturschutzverbände zurückgewiesen. Eine große Koalition aller deutscher PolitikerInnen, von Helmut Kohl bis Gerhard Schröder, hatte die Emssperre gefordert. Nur die Grünen waren dagegen. „David hat gegen Goliath verloren“, kommentierte Holger Wesermüller vom WWF-Küste in Bremen den Gerichtsentscheid.

Im Gegensatz zu den Umweltverbänden, sieht das Gericht durch den Bau der Emssperre keine Zerstörung von Naturschutzgebieten. Es verlangt aber zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen, da der Bau des Emsbollwerks einen erheblichen Eingriff in die Natur darstellt. Zweitens sieht das Gericht es als erwiesen an, dass Alternativen zu einem Sperrwerk als Küstenschutzmaßnahme ausreichend geprüft worden sind. Dies steht allerdings im Gegensatz zu den von den Landesbehörden selbst entwickelten Küstenschutzplänen. Drittens ist das Gericht der Auffassung, das Emssperrwerk diene dem Küstenschutz und wirtschaftlich der Region Papenburg. Dies hätte Vorrang vor naturschützerischen Interessen.

„Ein großer Tag für den Küstenschutz. Die Bagger arbeiten schon“, sagte Siegfried Popp, Direktor des niedersächsischen Landesbetriebes, Chef der Sperrwerkplaner gestern zur taz, als die Sauger und Schlemmer in Gandersum anbaggerten. „Hier wurde getrickst, gelogen und fachlich falsch gearbeitet“, ärgert sich dagegen Holger Wesermüller vom WWF-Küste in Bremen. Die gegen das Sperrwerk klagenden Umweltverbände bestreiten vehement die Notwendigkeit eines Emssperrwerkes. Offiziell soll dies gegen Sturmfluten und Hochwasser schützen. Tatsächlich aber, so sagen die Sperrwerksgegner, hilft die Sperre der zweitgrößten deutschen Werft, der Papenburger Meyer-Werft. Die hat sich auf die Produktion von Luxuspassagierschiffen spezialisiert. Ihr Pech: Die großen Schiffe passen nicht durch die flache Ems. Seit 17 Jahren wurde deswegen der Fluss mehrfach vertieft. Von ursprünglich drei Metern auf 7,30 Meter wurde die Ems ausgebaggert, um die Ozeanriesen aus dem Papenburger Binnenland 40 Kilometer zur Nordseeküste zu schleppen.

Umweltschützer vor Ort sind schockiert. „Das ist das Aus für die Ems“, sagte eine Sprecherin der Bürgerintiative, die seit Jahren gegen die Emsvertiefungen und das Sperrwerk kämpft.

„Jetzt muss so schnell wie möglich Beton und Stahl in die Ems gekippt werden“, fordert Heinrich Hövelmann, Sprecher der Initiative „Pro Sperrwerk“. Diese hatte mit Unterstützung der Landkreise Emsland und Leer für das Sperrwerk geworben und 40.000 Unterschriften für die Emssperre gesammelt.

„Wir hätten schon im Juli weiterbauen können, wollten aber einen eindeutigen Gerichtsbeschluss abwarten“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Glogowski auf der spontan anberaumten Betriebsversammlung der Meyer-Werft in Papenburg. Der Jubel der ArbeiterInnen war groß. Ob er von Dauer ist, danach fragte niemand.

Nach der letzten Vertiefung vor fünf Jahren hatte Werftchef Bernhard Meyer versprochen, keine größeren Schiffe zu bauen. Eine weitere Vertiefung des Flusses konnte selbst die Landesregierung aus ökologischen Gründen nicht mehr verantworten. Neue Aufträge für noch größere Schiffe verlangen nun den Aufstau der Ems. „Wir sind über die Aufhebung des Baustopps sehr glücklich“, freut sich Peter Hackmann, Pressesprecher der Meyer-Werft. Ob die Meyer-Werft aber jetzt tatsächlich neue Großaufträge für Schiffsbauten erhält, ist völlig offen. Meyer hat versichert, Vorverträge für zwei neue Schiffsbauten abgeschlossen zu haben. Trotzdem arbeitet auf der Werft eine Arbeitsgruppe an dem Problem, wie große Schiffe ohne ein Sperrwerk durch die Ems gefädelt werden können. Da Meyer schon früher mit Abwanderungsplänen gepokert hat, halten sich in der Region die Gerüchte, der Werftenchef plane schon mit anderen Werftstandorten als Papenburg.

„Das Ganze ist total schwachsinnig und rational nicht mehr zu begreifen“, meint Holger Wesermüller für den WWF. Allerdings, mit dem Gerichtsentscheid für den Weiterbau des Emssperrwerkes kommen auch die Umweltschutzverbände in die Bredouille. Weitere Klagen kosten Geld. „Ich weiß nicht, ob wir uns das leisten können“, gibt sich Robert Exner vom BUND Niedersachsen vorsichtig. „Wir müssen glaubwürdig bleiben und für die Ems kämpfen“, meint dagegen Holger Wesermüller vom WWF. Auf jeden Fall soll Einspruch gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt werden.

Ob die Umweltverbände die anstehenden Hauptverfahren gegen das Sperrwerk aufrechterhalten, ist zur Zeit nicht klar. Sechs Einwände liegen dem Gericht gegen den Weiterbau des Sperrwerkes noch vor. Die werden vom Gericht als nicht so gravierend angesehen, um den Bau des Sperrwerkes zu verhindern. Außerdem klagt die Stadt Leer gegen das Emssperrwerk. Sie verlangt eine Schleuse, damit im Staufall Versorgungsschiffe für die lokale Industrie die Ems passieren können. Daneben klagen Privatpersonen gegen das Sperrwerk. Diese Klagen haben auch den Weiterbau des Sperrwerkes nicht verhindern können. Thomas Schumacher

weiterer Bericht Seite 7