Thierses Bart ist jetzt auch feuerfest

■ Das verdankt er einem Gütesiegel für vorbildlichen Brandschutz im Reichstag

In einem unscheinbaren Raum im zweiten Stock des Reichstages drangen ungewohnte Worte an das Ohr des Bundestagspräsidenten: „Vorbildlich“ sei er, „positiv“ und „repräsentativ“. Mit verschränkten Armen und dem Blick zur Decke gerichtet, lauschte Wolfgang Thierse (SPD) der Lobeshymne.

Dabei galten die Elogen gar nicht ihm, sondern dem „flächendeckenden Feuerschutz“ im Reichstag. Weil das Gebäude durch feuerabweisende Türen, Brandmelder und eine „vollflächige Besprinkelung“ rund um die Uhr gegen Feuer geschützt ist und damit über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht, verlieh gestern der „Bundesverband Feuerlöschgeräte- und anlagen“ (bvfa) dem Hausherrn das „Sprinkler Protected Gütesiegel“. Eine Auszeichnung, die unter anderem dem „Adlon“, dem Münchener Flughafen und der neuen Messe in Leipzig verliehen wurde.

Thierse verstand zwar nur Bahnhof, als ihm die wie eine Feuerwand aufgebaute Herrenriege der drei beteiligten Firmen die Funktionsweise von Sprinkleranlagen erklärte. Doch höflich lauschte er den Ausführungen des bvfa-Vorsitzenden, Jan Hamkens, der es sich nicht nehmen ließ, zu kritisieren, dass Brandschutz in Deutschland Ländersache sei und in Niedersachsen in der Verantwortung des Frauenministeriums liege. Als Thierse erfuhr, dass in Deutschland jährlich 1.430 Menschen in Folge von „Einwirkungen von Schadenfeuer“ sterben – 80 Prozent an Rauch und 20 Prozent an Feuer – kroch ein staunendes „Hm“ aus seinem Bart.

Obwohl die Herrenrunde im Reichstag fast eine Stunde über Brandschutz fachsimpelte, kam das Wort Brand im Zusammenhang mit dem Wort Reichstag nur verschlüsselt vor. „Ich hoffe, dass es in der Neuzeit in der Weise nicht mehr eintreten kann“, sagte Hamkens, „und dass die Anlage ihre Leistungsfähigkeit nie unter Beweis stellen muss.“ Thierse merkte dazu an: „Das ist ja das Schöne: Wir geben viel Geld aus für was, was nie eingesetzt werden soll.“

Bei all der Begeisterung für den etwa 3,5 Millionen Mark teuren Brandschutz ist Thierse ein Fauxpas entgangen. Statt der vom Ältestenrat beschlossenen Bezeichnung „Plenarbereich Reichstagsgebäude“ heißt es auf der Urkunde „Gebäude des Reichstages“. B. Bollwahn de Paez Casanova