Wer wenig schläft, altert schneller

■ Langschläfer leben nicht ungesünder als Frühaufsteher. 12 Stunden sind aber zu viel

Seit der Erfindung des elektrischen Lichts schläft der Mensch weniger, heute nur noch 6,7 Stunden

Dass die Eule der Minerva ihren Flug im Morgengrauen beginnt und der Schlaf der Vernunft Ungeheuer gebiert, ist bekannt – dagegen weniger, warum das so ist. Die Nacht ist bereits seit Parmenides aus dem philosophischen Kanon des Abendlandes vertrieben, und der Schlaf samt seinen Träumen gehört noch immer zu den Stiefkindern der Wissenschaft. „Man weiß bis heute nicht einmal genau, welchen Sinn Träume haben“, sagt Stefan Greifenberg, der sich als Wissenschaftler und VHS-Dozent mit der Materie auseinandersetzt.

Lange Zeit interessierte der Schlaf nur, weil er für die Reproduktion der Arbeitskraft nötig war, und die Nacht war verpönt, weil sie die Arbeitsmoral untergräbt. Wie viel Stunden Schlaf nun aber für den Menschen sinnvoll sind, ist bis heute unklar. Sicher ist nur, dass der zivilisierte Mensch seit der Erfindung des elektrischen Lichts weniger schläft – im Durchschnitt nur noch 6,7 Stunden pro Nacht, wie der amerikanische Schlafforscher James Maas ermittelt hat. Tendenz fallend.

Und mit dem Desinteresse am nächtlichen Schlaf halten sich bis heute hartnäckig Vorurteile – etwa jenes, dass Frühaufsteher gesünder leben: „Früh ins Bett und früh wieder raus: das macht einen Mann gesund, weise und reich“, brachte Benjamin Franklin einst dieses Diktum der protestantischen Arbeitsethik auf den Punkt. Stimmt nur leider nicht, wie Catherine Gale und Christopher Martin von der Universität Southampton herausgefunden haben. In einer Anfang diesen Jahres im British Medical Journal veröffentlichten Studie hatten die beiden englischen Forscher 1.200 Männer und Frauen in zwei Gruppen eingeteilt: in „Lerchen“ (im Bett vor elf Uhr abends) und „Eulen“ – all jene, die später schlafen gehen und auch später aufstehen. Im Widerspruch zum alten Glauben waren die „Lerchen“ weder gesünder noch geistig aktiver. Und kaum möglich, aber wahr: Das Bankkonto der Nachtschwärmer war sogar etwas besser gefüllt als das der Frühaufsteher. Auch die Auffassung, dass der Schlaf vor Mitternacht am gesündesten sei, wurde inzwischen relativiert, sagt Schlafforscher Greifenberg. „Wichtig ist aber, dass die ersten Stunden Schlaf ruhig und tief sind.“

Und jetzt hat ein Wissenschaftlerteam von der University of Chicago etwas herausgefunden, was notorischen Kurzschläfern zu denken geben sollte: Wer wenig schläft, der altert schneller. Denn zu wenig Schlaf soll zu biologischen Veränderungen führen, die dem Stoffwechsel im Alter gleichen. An der Studie, die in der aktuellen Ausgabe des britischen Magazins Lancet veröffentlicht wurde, waren elf junge Männer beteiligt. Sie durften in den ersten drei Nächten volle acht Stunden, in den folgenden sechs Nächten nur vier Stunden schlafen. Am Ende waren wichtige Stoffwechselfunktionen gestört – die Veränderungen ähnelten Effekten des Alterns, heißt es in der Studie. Allerdings vergingen die Symptome auch wieder, nachdem die Probanden eine Woche lang zwölf Stunden im Bett verbracht hatten.

Also schlafen, so häufig und so viel man möchte? Besser wohl nicht. Zumindest die Ergebnisse der Lerchen- vs.-Eulen-Studie geben keine Entwarnung für unverbesserliche Langschläfer: Denn die Sterblichkeit soll demnach mit der Anzahl der im Bett verbrachten Stunden ansteigen. Menschen, die regelmäßig zwölf oder mehr Stunden schlafen, haben somit ein weit höheres Risiko, früh zu versterben, als solche, die durchschnittlich neun Stunden im Bett verbringen. Ole Schulz

Bei den Gesundheitstagen hält Dr. Stefan Greifenberg einen Vortrag zum Thema „Gesunder Schlaf“: Sa., 13. 11., 20-21.30 Uhr. Zu den philosophischen Hintergründen: „Die Geschichte der Nacht“ von Walter Seitter, Philo-Verlag, Berlin 1999, 34 DM