taz_archiv_872451264534

Der kleine Unterschied

■ Das besondere Jubiläum: 300 Mio. Jahre Chromosomen X und Y

Washington (dpa) – Seit 300 Millionen Jahren bestimmen zwei Chromosomen den „kleinen Unterschied“: Embryos mit zwei X-Chromosomen entwickeln sich zu weiblichen Wesen, Embryos mit einem X- und einem Y-Chromosom werden männlich. Davor hatten vor allem Umweltfaktoren das Geschlecht bestimmt, etwa die Wärme des Wassers, in dem ein Ei ausgebrütet wurde.

Das berichten zwei US-Forscher vom Whitehead-Institut in Cambridge (Massachusetts), David Page und Bruce Lahn, im Wissenschaftsjournal Science (Bd. 286) vom Freitag. Danach verlief die Entwicklung der Geschlechts-Chromosomen in vier Zeitschritten. Bei Krokodilen und See-Schildkröten sind Umweltfaktoren bis heute entscheidend für das Geschlecht.

Nach Ermittlungen von Page und Lahn entwickelten sich das X- und das Y-Chromosom aus einem ganz normalen Paar geschlechtsunabhängiger Chromosomen, Autosomen genannt. Das Erbgut des Menschen ist auf 44 Autosomen – 22 identische Paare – und zwei Geschlechtschromosomen – XX oder XY – verteilt.

Das X-Chromosom beherbergt Tausende von Genen, während sich auf dem Y-Chromosom nur einige Dutzend Gene aneinanderreihen. Von ihnen sind 19 Gene identisch mit Genen auf dem X-Chromosom. Die beiden Forscher bezeichnen diese 19 Gene als „lebende Fossilien“, die gefüllt seien mit Informationen über die Geschichte der Geschlechtschromosomen.

Aus einem Vergleich ihrer Sequenzen schließen Page und Lahn, dass sich die beiden Chromosomen nicht kontinuierlich, sondern in vier zeitlichen Blöcken entwickelten. Der erste Zeitblock liegt nach ihrer Erkenntnis etwa 240 bis 320 Millionen Jahre zurück und begann mit der Trennung zwischen den Vorfahren der Säugetiere und den Vorfahren der Vögel.

Der zweite Block setzte nach der Separation der Säugetier-Urahnen von einem entenschnabeligen Urtier ein, der dritte in der Zeit, als sich die Urahnen der Säugetiere von den Vorfahren der Kängurus absetzten. Der vierte Block begann nach der Trennung von den Lemuren, die zu den Halbaffen gehören.