Zwischen den Rillen
: Dia-Abend mit Dudelsack

■ Folk-Standards zu Gassenhauern: Manau und Hevia machen mit Kelten-Pop Kasse

Die Kelten kommen. Zwar erst seit letztem Jahr, aber immerhin. Manau verbinden Folk und HipHop und haben mit „Tribu de Dana“ in Frankreich den Sommerhit des Jahres 98 gelandet.

Manau, das sind der Rapper Martial Tricoche, der auch die Texte schrieb, und Cédric Sauburon, verantwortlich für Programming und Scratches. Sie kennen sich schon seit über zehn Jahren, als sie bei einem Pariser Bürgerradio zusammen eine Rap-Show produzierten. Die Kelten spielten damals noch keine Rolle. Das kam erst, als Tricoche begann, Bücher über Druiden und das ganze mystische Drumherum zu lesen. Für einen Druiden-Rap brauchte er aber noch Musik. Die fand sich auf bretonischen Folk-CDs von Alan Stivell und Ar Re Youank. Mit vier Tagen Studiozeit produzierten sie ihr erstes Demo und erhielten prompt einen Plattenvertrag. Einige Monate danach folgte schon das Album.

Gerappt wird natürlich nicht auf Bretonisch – würde ja selbst in der Bretagne kaum jemand verstehen –, sondern auf Französisch. Dafür geht es umso häufiger um keltischen Fantasy-Kitsch. In „Tribu de Dana“ wird etwa der Kampf eines prähistorischen Stammes gegen fremde Eindringlinge geschildert – und zwar eher auf dem Niveau von „Conan, der Barbar“ als auf dem von Asterix. Fast jedes zweite Stück der CD dreht sich um Druiden, die bei Manau für alte Legenden, Mythen und Identitäten stehen. Schrott, aber harmlos. Dafür gibt es in „L'avenir est un long passé“ noch ein Antifa-Bekenntnis, hier wird Frankreichs Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen mit den NS-Invasoren des Zweiten Weltkriegs gleichgestellt.

Auf dem deutschen Markt werden die Texte wohl Nebensache bleiben. Was hier zählt, ist die Musik, und die ist teilweise ziemlich radiotauglich. Easy-Listening-Folk-Pop zum Mitsingen: „Dans la Valée, lala, de Dana, lalalala“. Wo die Melodie weniger ins Ohr geht, sorgen folkige Arrangements mit Akkordeon, Geige und Dudelsack immerhin für ein gefälliges HipHop-Hörerlebnis.

In Frankreich werden die Pariser Vorstadt-Kelten vor allem von Teenagern verehrt, während sie in der Bretagne ziemlich umstritten sind – gerade weil sie einige bretonische Folk-Standards zu Gassenhauern gemacht haben. „Tribu de Dana“ lag etwa das bretonische Matrosenlied „Tri Martelod“ zu Grunde. Alan Stivell hat sogar einen Plagiatsprozess gegen Manau angestrengt, denn er hatte „Tri Martelod“ schon vor 25 Jahren ähnlich arrangiert. Der Prozess dauert noch an.

Auch wenn die Eltern von Tricoche und Sauburon ursprünglich aus der Bretagne stammen, bedienen Manau sich in Musik und Symbolik bei allen keltischen „Nationen“, also auch in der irischen oder schottischen Tradition. Und die Bandmarke „Manau“ ist der ursprüngliche Name der „Isle of Man“. Auch dort wurde vor hundert Jahren noch eine alte keltische Sprache gesprochen. Manau schwimmen kräftig mit auf der Vague celtique, die Frankreich schon seit einigen Jahren überspült, und haben sie natürlich noch weiter verstärkt.

Eine keltische Welle gibt es auch in Spanien, ausgehend von den beiden am Atlantik gelegenen Provinzen Galicien und Asturien. Diese reklamieren für sich ebenfalls keltische Wurzeln, auch wenn die dortigen Regionalsprachen ganz anderen Ursprungs sind. Immerhin ist das wichtigste Instrument im spanischen Norden der Dudelsack, Gaita genannt. Zu Francos Zeiten waren die Regionalkulturen unterdrückt, während Flamenco und Stierkampf zum nationalen Nonplusultra erklärt wurden. Wie in der Bretagne oder in Schottland dient die Berufung auf ein „keltisches Erbe“ deshalb auch im spanischen Norden der Abgrenzung von einem dominanten Zentralstaat.

Heute dagegen ist die Lage entspannt, der asturische Gaita-Spieler José Angel Hevia Velasco landete mit seinem ersten Soloalbum „Tierra de Nadie“ (Niemandsland) gleich einen Riesenerfolg in ganz Spanien. 600.000 verkaufte CDs brachten mehrfachen Platinstatus.

Anders als Manaus keltischer Rap bringt Hevia musikalisch aber wenig Neues: überwiegend instrumentaler Folk-Pop, nett arrangiert, etwas Beat druntergelegt, bisschen Gitarren dazu, Hintergrundmusik für den Dia-Abend mit der ganzen Familie. Selbst die einigermaßen groovige Hitsingle „Busindre Reel“ klingt wie ein schüchterner Abklatsch des Afro Celt Sound Systems. Spannend wirkt die CD nur, wenn spitze nordspanische Frauenstimmen dazu gemischt wurden: Pandereteiras, die sich normalerweise nur mit dem Tambourin begleiten. Aber auch solchen Pandereteira-Pop gab's schon öfter zu hören.

Der Erfolg von Hevia ist vor allem ein Marketingcoup seiner Plattenfirma, die ihn zum Gegenspieler des galicischen Gaita-Musikers Carlos Nuñez aufgebaut hat. Nuñez hat sich in den letzten Jahren zum Weltmusikstar gemausert und arbeitet auf seinen Alben mit den Chieftaines, Dan ar Braz oder Noa zusammen. Hevia ist im Vergleich dazu etwas poppiger und verzichtet darauf, sich an spanische Flamenco-Traditionen anzubiedern. In Deutschland wird er aber wohl nur dann ein Star, wenn es seinem Management doch noch gelingt, ihn bei „Wetten, dass ...“ unterzubringen. Christian Rath

Manau: „Panique Celtique“ (Mercury); Hevia: „Tierra de Nadie“ (EMI)