„Büffet-Demokraten“ im Vorwahlkampf

Die aussichtsreichsten Kandidaten der Demokratischen Partei, Al Gore und Bill Bradley, liefern sich nicht gerade eine „Schlacht um die Seele der Partei“. Doch Unterschiede zeigten sich schon  ■   Aus Washington Peter Tautfest

In dem Örtchen Hanover im Bundesstaat New Hampshire hätte man am Mittwoch meinen können, die amerikanischen Präsidentschaftswahlen stünden vor der Tür. Den ganzen Tag waren Anhänger des einen und anderen Kandidaten mit Plakaten und Sprechchören unterwegs. Tatsächlich ging es am Abend in der Aula des Dartmouth Colleges um die erste Fernsehdebatte zwischen den beiden Bewerbern für die Kandidatur der Demokratischen Partei, Al Gore und Bill Bradley. Und es war nicht mal eine richtige Debatte. Town Hall Meeting nennt man diese Veranstaltungen seit neuestem – in Erinnerung an die guten alten Zeiten, da in den kleinen abgelegenen Orten Neuenglands die gesamte Einwohnerschaft eines Städtchens zusammenkam, um ihre Angelegenheiten zu regeln.

Jetzt kamen nur ausgesuchte Leute aus jenem Bundesstaat zusammen, in dem am 1. Februar die ersten Vorwahlen stattfinden. Sie durften den beiden Kandidaten Fragen stellen. Richtig debattiert wurde da nichts. Doch es war die erste Gelegenheit, die beiden Bewerber zu vergleichen. Wenn es schon immer hieß, dass die beiden Parteien in Amerika sich zum Verwechseln ähnlich seien, wie ähnlich müssen sich dann zwei Bewerber derselben Partei erst sein?

Ähnlich schon, Unterschiede aber wurden auch deutlich. Gore, der sich schon bei seiner ersten Antwort von Bill Clinton und dessen moralischen Fehlverhalten distanzierte, ist seit sieben Jahren Vizepräsident und ein Mann des Washingtoner Establishments. Das Team Clinton/Gore war nur mäßig erfolgreich, wenn es darum ging, soziale Reformen durchzusetzen oder etwa die Armut in Amerika zu bekämpfen. Ihre größte Niederlage war die gescheiterte Krankenkassenreform.

Bradley hingegen, ehemaliger Basketballstar und Senator aus New Jersey, knüpft eher an die Tradition Lyndon Johnsons an und dessen Krieg gegen die Armut. Als Clinton antrat, herrschte in Amerika Arbeitslosigkeit und Ebbe in den Staatskassen. Der Wahlkampf 2000 aber findet in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs und voller Staatskassen statt. Wird das etwas an der Stimmung im Lande ändern und die Bereitschaft fördern, alle am wachsenden Wohlstand teilhaben zu lassen? Die Zahl derer, die in den USA keine Krankenversicherung haben, ist seit dem Amtsantritt des Gespanns Clinton/Gore auf 40 Millionen geklettert. Bradley will diesen Skandal angreifen und vor allem dafür sorgen, dass alle Kinder in Amerika krankenversichert sind. Nicht gerade für besonders „progressives“ Abstimmungsverhalten im Senat bekannt, hat Bradley gleichwohl gegen die Reform der Sozialhilfe gestimmt, die Sozialhilfeempfänger nötigt zu arbeiten und zeitliche Limits für die Stütze setzt. Al Gore will Clintons zögernden Kurs, den Weg der Kleinstreformen, fortsetzen. Bradley will einen neuen Anlauf nehmen, Amerikas Armut zu bekämpfen, die nicht so schnell sinkt wie Amerikas Haushaltsüberschuss wächst.

Während Gore den Ruf hat, steif und hölzern zu sein, trat er am Mittwochabend wie ein Talkmaster und Conférencier auf. Er redete die Fragenden beim Vornamen an, fragte nach ihren Familien, machte Witze. Bradley, dem der Beiname „der Nachdenkliche“ anhängt, redete ruhig und ernst – fast wie ein Professor. Zwei Kneipenreaktionen: Erica Raban, Managerin des Washingtoner Cafés XandO sagte, sie habe als Jugendliche den Basketballstar Bradley angehimmelt: „Der bewegte sich ganz natürlich unter Schwarzen, der versteht uns Schwarze, ich vertraue ihm.“ Ben Frankel, Politikwissenschaftler, der seine Studenten zur Sprechstunde am liebsten im Café empfängt, nennt Bradley einen „Büfett-Demokraten“. „Er nimmt sich hier einen politischen Leckerbissen und da eine Idee heraus, Gore hingegen ist aus einem Guss und ist in dem Feuer gewachsen, das er in Washington an Clintons Seite hat aushalten müssen, er weiß, was in Amerika geht und was nicht durchsetzbar ist.“