EU-Abgeordnete genehmigen Geld für Katastrophen

■ EU-Parlament stockt den Haushalt 2000 in erster Lesung um 3,5 Milliarden Euro auf

Brüssel (taz) – In erster Lesung hat sich das Europäische Parlament in Straßburg gestern mit dem EU-Haushalt 2000 befasst. Fast drei Stunden stimmten die Abgeordneten über Nachbesserungen am Kommissonsvorschlag von knapp 88 Milliarden Euro ab. Sie wollen 3,5 Milliarden Euro mehr ausgeben. Der zuständige Berichterstatter Jean-Louis Bourlanges sprach zufrieden von einem „fast plebiszitären Votum“. Fast alle Punkte gingen mit großer Mehrheit durch.

Erstaunlich ist das nicht: Als die Santer-Kommission im Frühjahr ihren Vorschlag vorlegte, gab es noch keine Kosovo-Wiederaufbau-Agentur, kein Erdbeben in der Türkei, keinen Völkermord in Osttimor. Die neue Haushaltskommissarin Michaele Schreyer räumte in einer ersten Reaktion auf das Parlamentsvotum ein, dass der Sparhaushalt vom Frühjahr angesichts der außenpolitischen Verpflichtungen tatsächlich nicht zu halten sei. Allerdings hatte Schreyer in der Anhörung vor Amtsantritt noch auf einen strengen Sparkurs gedrängt. Damals hatte sie angekündigt, zusätzlich humanitäre Hilfen anderswo einsparen zu wollen. Die Änderungsvorschläge des konservativen Abgeordneten Bourlanges bedeuten dagegen, dass diese humanitären Aufgaben mit „frischem Geld“ finanziert werden müssten.

Auch bei den anderen Haushaltsposten soll nachgelegt werden. Der Spielraum zwischen ursprünglichem Entwurf und dem, was die finanzielle Vorausschau maximal zulässt, wurde ausgeschöpft. Allein in der Agrarpolitik sollen 115 zusätzliche Millionen in ländliche Begleitmaßnahmen fließen. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Terence Wynn von der Labour-Party, war darüber wenig glücklich: „Die Stärke der Agrarlobby im Parlament ist hier deutlich geworden.“

Auch die Grünen sind mit dem Abstimmungsergebnis unzufrieden. Sie hatten dafür plädiert, durch Umschichtungen einen Teil der Zusatzkosten für das Kosovo aufzufangen und bei einigen Posten wie Exportsubventionen für Lebendtiertransporte und Subventionen für Tabakanbau den Rotstift anzusetzen. Die Leichtigkeit, mit der die zahlenmäßig größte konservative Fraktion das Geld der überwiegend sozialistisch regierten Mitgliedstaaten verplant, hat sicherlich auch parteitaktische Hintergründe. Allerdings wiesen Abgeordnete aller Parteien darauf hin, dass der Rat ständig neue Aufgaben plant, ohne deren Finanzierung sicherzustellen.

Der SPD-Haushaltsexperte Ralf Walter sagte: „Wir verlagern ständig Aufgaben von der nationalen auf die europäische Ebene, ohne entsprechende Mittel umzuschichten.“ Und der CDU-Abgeordnete Reimer Böge betonte: „Es gibt Verpflichtungen gegenüber Entwicklungsländern, die man nicht einfach um zehn Prozent kürzen kann – das ist phantasielos.“

Der großzügige Nachschlag, den das Parlament nun fordert, schafft nach Ansicht der Haushaltskommissarin eine schwierige Ausgangssituation für den kommenden Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament. „Die Kommission wird aber versuchen, die Positionen so zusammenzubringen, dass wir innerhalb der finanziellen Vorausschau bleiben und der Haushalt mit Jahresbeginn in Kraft treten kann“, kündigte Schreyer an. Daniela Weingärtner