Um diese Frage hat man Kriege geführt“

■ Mit der „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen Katholiken und Protestanten ist den Unterschieden die trennende Kraft genommen, sagt Margot Käßmann, Bischöfin der hannoverschen Landeskirche

taz: Was braucht es eine „Gemeinsame Erklärung“ von katholischen und lutheranischen Christen – wenn sie doch beide an denselben Gott glauben? Wozu überhaupt der Streit?

Margot Käßmann: Es ist wirklich schwierig, die Unterschiede Nichtchristen zu erklären. Wir als Lutheraner sagen, dass Gottes Zugewandtheit nicht verdient werden kann. Für uns zählt allein der Glaube. Die Schönen und Erfolgreichen sind vor Gott nicht mehr wert als andere, beispielsweise Behinderte.

Das ist nur eine theoretische Frage. Aber wo spielen die Differenzen eine praktische Rolle?

Nehmen wir das Abendmahl. Bei den Katholiken teilt der Priester – und nur er – an Christi Statt aus, es hängt am Priester und an der Wandlung, es handelt sich real um das Blut und den Leib Christi. Bei den Lutheranern gilt das Priestertum aller Gläubigen, Pastor oder Pastorin sind nicht in einem anderen Weihestatus. Ich trete selbst vor Gott und kann nur Gott selbst bitten, mir meine Verfehlungen zu vergeben, mir Glauben zu schenken. Bei uns gelten Wein und Brot als Zeichen und zugleich reale Präsenz Christi, „Leib und Blut“, deren Wandlung ein Geheimnis ist. Das unterschiedliche Amts- und Abendmahlsverständnis machen die Annäherungen in der Praxis schwer, die sich viele Gemeindeglieder wünschen.

Nach wie vor sind evangelische Christen vom katholischen Abendmahl ausgeschlossen ...

... während wir Katholiken wilkommen heißen können. Ja, da wartet noch viel Arbeit auf uns, um dieser Trennung gerade beim zentralen Symbol der Gemeinschaft entgegenzuwirken. Eine Chance für einen Druchbruch sehe ich beim ersten ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin.

Trotzdem scheinen den meisten Gläubigen diese Differenzen womöglich zu filigran. Ist es nicht so, dass die einen dem einen Verein, die anderen dem anderen Verein anhängen?

Die Unterschiede sind historisch und theologisch gewachsen. Und die „Gemeinsame Erklärung“ versucht ja auch nicht, sie zu leugnen. Deren Unterzeichnung ist zunächst ein Zeichen, dass die Gräben nicht mehr so tief sind. Ob nun katholisch oder evangelisch – um diese Frage hat es Kriege gegeben, in Deutschland und in anderen europäischen Ländern.

Und bis vor kurzem noch in Nordirland.

Gerade für solche Konflikte ist die Erklärung ein Schritt, der in eine bessere Zukunft weist. Die kriegführenden Parteien können merken: Da gehen zwei scheinbar verfeindete Glaubensrichtungen aufeinander zu und stellen fest, dass die verbleibenden Unterschiede keine trennende Kraft mehr haben.

Seit Monaten protestieren viele Theologen gegen die „Gemeinsame Erklärung“ – selbst letzte Korrekturen am Papier haben sie nicht besänftigen können. Nach wie vor befürchten sie, von Rom aufgefressen zu werden.

Die Differenzen werden fortbestehen, insofern verstehe ich vieles an ihrer Kritik. Aber dieser Anfang kann dazu beitragen, die einst heftigen Verwerfungen zwischen Lutheranern und Katholiken abzubauen. Noch vor 40 Jahren war ein tiefer Graben zwischen katholischen und evangelischen Christen fast die Normalität. Das hat sich geändert, das wird sich hoffentlich weiter ändern. Interview: Jan Feddersen