Die FAZ vor ihrem 50. Geburtstag

Bescheidenheit ist eine Zier, aber warum gerade wir? Die FAZneigte nie dazu, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. In aufwendigen Fotokampagnen präsentiert sie die „klugen Köpfe“ der Republik zeitunglesend vor eindrucksvollen Kulissen, sie nennt „eines der führenden Feuilletons in Europa“ ihr Eigen und feiert sich kurz vor ihrem 50. Geburtstag als „eine der besten Zeitungen der Welt“. Der Stolz kommt nicht von ungefähr: Als tausend internationale „Meinungsführer“ im Sommer entscheiden sollten, wer global gesehen die beste Gazzette sei, landete die FAZ auf Platz drei – geschlagen nur von Financial und New York Times. Die weltweite Anerkennung tut gut, ist sie doch ein Trost für die Rückschläge, die man zu Hause hinnehmen musste. Auf dem deutschen Zeitungsmarkt ist die FAZ hinter ihre Rivalin Süddeutsche Zeitung (SZ) zurückgefallen und erreicht mit 1,14 Millionen etwas weniger Leser.

Noch mehr muss es in Frankfurt wurmen, dass politisch die Rollen getauscht wurden. Die konservative FAZ ist nicht mehr Regierungszeitung wie unter Adenauer und Kohl. „Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als ein böser Kommentar in der FAZ den baldigen Rücktritt eines Ministers bedeuten konnte“, bemerkte kürzlich süffisant SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz, „aber ich bin auch schon ein alter Sack.“ Sein linksliberales Blatt dürfte inzwischen mehr Einfluss auf die Regierung haben. Oder doch nicht? Viele sagen, eigentlich regiere in Wirklichkeit die Wirtschaft das Land. Und da ist die Kompetenz der FAZ noch unbestritten, die allein in ihrer Frankfurter Zentrale 36 Wirtschaftsredakteure beschäftigt. Auch finanziell kann die FAZ beruhigt Geburtstag feiern: Mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Mark im letzten Jahr ist die FAZ-Gruppe ein Schwergewicht in der Medienbranche. Das Unternehmen ist beteiligt an Radiosendern, Buchverlagen und in Dimensionen aufgestiegen, die zu Gründungszeiten noch undenkbar waren.

Mit einem Kapital von gerade mal 100.000 Mark startete die FAZ vor fünfzig Jahren. Zusammengekratzt wurde das Geld aus Mitteln der Wirtschaftspolitischen Gesellschaft (Wipog), einem Zusammenschluss von Vertretern der Handelskammern sowie engagierten Leuten aus Politik und Kultur. Einer von ihnen war der zurückgekehrte Emigrant Otto Klepper, der 1949 erster Geschäftsführer der Wipog und – neben Ferdinand Rothe von der Mainzer Druckerei – Vorsitzender des FAZ-Verwaltungsrats wurde. Klepper war es auch, der die hehren Grundsätze formulierte: „Unabhängig von allen politischen Gruppierungen, von allen inneren und äußeren Mächten“ sollte die Zeitung „für das ganze Deutschland“ sprechen. Schon zwei Jahre später aber war Klepper mit der politischen Richtung der FAZ nicht mehr einverstanden und verließ enttäuscht die Zeitung. Er muss sehr an ihr gehangen haben, denn trotz seiner Verbitterung half er ihr 1951 noch nach seinem Abgang aus ihrer größten finanziellen Krise, besorgte ein Darlehen aus Amerika und sicherte das Überleben. Ohne Klepper würde es die „beste Zeitung der Welt“ heute nicht geben – in den Lobeshymnen zum Geburtstag wird sein Name aber wohl nur am Rande erwähnt werden. lkw