Gesundheitskasse im Krankenbett

■  Die AOK steht vor einem riesigen Schuldenberg. Sie hofft auf Unterstützung aus dem Bundesgesundheitsministerium und Solidarität anderer Krankenkassen

Rolf Dieter Müller, der Chef der hiesigen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK), hofft auf die kommende Woche. Dann nämlich wollen Fachleute aus der Berliner Gesundheitsverwaltung und dem Bundesgesundheitsministerium über die Zukunft der hoch verschuldeten Berliner AOK beraten. Müller will, dass seine Kasse in das Notprogramm zur Entschuldung der Krankenkassen in den neuen Bundesländern aufgenommen wird, das Bundesgesundheitsminsterin Andreas Fischer (Bündnis 90/Grüne) gemeinsam mit der Gesundheitsreform auf den Weg bringen will. Bislang ist Berlin davon ausgenommen. Für seine Forderung hat Müller grün-schwarze Rückendeckung. Sowohl Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU) als auch der gesundheitspolitische Sprecher der Berliner Bündnisgrünen, Bernd Köppl, unterstützen die Forderung der Berliner AOK.

Die größte Krankenkasse der Stadt steckt seit 1995, als die Ost- und die Westberliner AOK zusammengeführt wurden, in massiven finanziellen Schwierigkeiten. Jetzt wurde jedoch publik, dass diese noch gravierender sind als bislang bekannt. Trotz jährlicher Subventionen durch die westdeutschen Ortskrankenkassen in dreistelliger Millionenhöhe und Zahlungen aus dem kassenübergreifenden Finanzausgleich auf Bundesebene hat der Schuldenberg der AOK die Milliardengrenze überschritten. 1,2 Milliarden Mark sollen es nach Angaben aus dem Bundesgesundheitsministerium sein. Die AOK selbst spricht von 814 Millionen Mark.

„Wenn bis Mitte 2000 nichts passiert ist, wird über die Auflösung der Berliner AOK diskutiert werden“, befürchtet der grüne Gesundheitsexperte Köppl. Der AOK-Chef weist solche Spekulationen zurück. Bis 2002 soll, so Müller, die Kasse saniert sein. „Wichtigste Voraussetzung dafür ist die Umsetzung des neuen Krankenhausplans“, sagte Müller. „Denn die außerordentlich hohen Krankenhauskosten in Berlin sind das zentrale Problem nicht nur für die AOK, sondern für alle Berliner Krankenkassen.“

Doch „die Gesundheitskasse“ hat nicht nur ein Ausgaben-, sondern auch ein Einnahmenproblem. Wie auch in den anderen neuen Bundesländern hat die AOK in Berlin nach der Wende zunächst alle OstberlinerInnen versichert, kostenträchtige Aufbauarbeit geleistet und so die Überleitung in das westdeutsche Gesundheitssystem ermöglicht. Doch dann verlor die Berliner AOK im Zuge der freien Kassenwahl rund ein Viertel ihrer Versicherten; heute hat sie noch rund 750.000 Mitglieder.

Vor allem junge, gesunde, flexible Mitglieder wechselten zur Konkurrenz – die „guten Risiken“, wie es im Fachjargon heißt. Die schlechten Risiken“ blieben bei der AOK. Diese hat heute überdurchschnittlich viele Mitglieder, die alt oder arbeitslos sind und über niedrige Einkommen verfügen. Diese Mitglieder zahlen nicht nur geringe Beiträge, sie sind auch teuer: Denn mit zunehmenden Alter steigt die Anzahl der Krankenhausaufenthalte und deren Dauer. Zudem ist wegen des geringen Einkommens die Anzahl der so genannten Härtefälle unter den AOK-Mitgliedern groß. Diese Versicherten zahlen bei medizinischen Leistungen einen geringeren Eigenanteil als andere – die Differenz muss die Kasse ausgleichen. „Das ist teuer, gehört aber zu einer solidarischen Krankenversicherung“, sagt AOK-Chef Müller.

Für die Mitglieder soll die Finanzkrise ihrer Kasse keine Konsequenzen haben. Eine Erhöhung der Beiträge stehe nicht zur Debatte, heißt es bei der AOK. Und selbst wenn die Kasse geschlossen würde, dann würden die Mitglieder von anderen Kassen übernommen – doch das ist unwahrscheinlich.

Unwahrscheinlich aber ist auch, dass die Berliner AOK in das Entschuldungsprogramm der Bundesgesundheitsministerin aufgenommen wird. Zum einen ist fraglich, ob Fischer dieses Programm überhaupt umsetzen kann, denn sie hat es an die Gesundheitsreform gekoppelt. Diese aber braucht die Zustimmung des Bundesrats, und da will die CDU nicht mitmachen. Fischer hat wohl gehofft, dass sie durch das Schnüren dieses Paketes die CDU-regierten neuen Bundesländer für ihre Reform gewinnen kann, doch diese haben bereits abgewunken. „Die Entschuldung der AOK wird unser Abstimmungsverhalten im Bundesrat nicht beeinflussen“, sagt auch der Sprecher von Gesundheitssenatorin Hübner, Christoph Abele.

Stattdessen hat die Gesundheitsministerin mit ihrem Vorschlag zur Entschuldung der Ost-AOKen die anderen Krankenkassen verprellt. Diese laufen Sturm gegen die zusätzliche Solidarleistung, die Fischer ihnen aufbrummen will. Denn sie sollen die Schulden der Allgemeinen Ortskrankenkassen im Osten in Höhe von 1,8 Milliarden Mark (ohne Berlin) finanzieren.

Gegen die Aufnahme Berlins in das Notprogramm zur Entschuldung der AOKen sprächen aber auch rechtliche Bedenken, heißt es im Bundesgesundheitsministerium. Denn Berlin gehört in der Frage der Krankenversicherung zum „Rechtskreis West“ und habe davon finanziell auch bereits profitiert. Auch darüber soll in der kommenden Woche verhandelt werden. Sabine am Orde