Kein schnarchend öder Schülervortrag

Viele Berufe in der Informationstechnologie-Branche wurden in den vergangenen Jahren neu geordnet. Zum Beispiel der Ausbildungsgang des IT-Systemelektronikers. Ein Besuch an einem Ausbildungstag in Berlin   ■  Von Barbara Friedhelmi

Bei dem Trupp Auszubildender, die im ersten Stock des Bosch-Ausbildungszentrums hoch oben im Norden Berlins zappelig dem Wochenende entgegenarbeiten, ist vom frischen Wind neuer Berufe wenig zu spüren. Ausbildungsleiter Dietmar Zwinge stößt die Tür zu dem kleinen Raum auf. An langen Arbeitstischen, überfüllt mit Telefonanlagen und Netzteilen, Klemmen und Schrauben, sitzen ein halbes Dutzend Azubis und löten Platinen. Dies ist der alte Ausbildungsjahrgang, die Kommunikationselektroniker, Fachrichtung Telekommunikation.

„Die müssen ihre Prüfung noch nach der alten Prüfungsordnung machen. Deshalb üben sie löten, obwohl sie niemals in ihrem Berufsleben werden löten müssen“, sagt Zwinge. „Das läuft längst alles über Softwaretools am Laptop: Sie erkennen fehlerhafte Platinen, die einfach ausgetauscht werden. Ein Blödsinn, oder?“

Vor drei Jahren wurde deshalb der Beruf neu geordnet. „Das alte Berufsbild war hoffnungslos veraltet, die Prüfungen völlig überholt. Da haben wir als Industrie Druck gemacht.“

Kreative Lösungen

Auf der anderen Seite des Ganges lernt der neue Jahrgang der Informationstechnologie (IT): Die IT-Systemelektroniker, Fachrichtung Sicherheitstechnik. Wenn sie mal ausgelernt haben, fahren sie zu Kunden, schließen ihren Laptop an die Alarm- oder Telefonanlage an, spielen die Daten ein und checken die Fehlerquelle. Sie fahren zur Montage in Hotels oder Banken, in Altersheime oder Krankenhäuser, überall dorthin, wo moderne elektronische Kommunikationsanlagen eine Rolle spielen. „Im Berufsalltag müssen die Lehrlinge kreativ selbst Lösungen finden“, erzählt Ausbildungsleiter Zwinge. „Sie müssen einen großen Verteiler entsprechend der Bedürfnisse vor Ort einstellen oder Fehler in einer Anlage lokalisieren. Deshalb lernen sie schon bei uns handlungsorientiert. Frontalunterricht ist tabu.“

Im Ausbildungsraum sitzen fünf IT-Systemelektroniker beisammen. Von strengem Unterrichtsregiment ist hier wenig zu spüren. Ausbildungsleiter Zwinge hält sich dezent zurück. Er formuliert die Aufgaben, gibt bei Fragen Hilfestellungen. Das Gros müssen sich die Azubis selbst erarbeiten. Zu zweit oder dritt, manchmal auch allein hocken sie über verschiedenen Aufgaben.

Die Alarmanlage ist groß wie ein Wäscheschrank. Dennis' Haarschopf lugt hinter ihr hervor. Mit zwei Kumpels werkelt er an der Meldegruppe herum. Huuuiiuuiuiuiui heult es ab und zu durch den Raum. Das Ding ist schwer in den Griff zu bekommen.

UEZ 1000 auf Sendung

UEZ 1000 steht auf einem Flippchart vor den Tischen. Diese „Universelle Europa Anlage“ ist zurzeit Thema des Kurses. Vor den beiden Computermonitoren auf dem Tisch sitzt Lennert und überspielt die letzten Bausteine eines Lehrvideos. Das hat er mit seinen Mitschülern im Laufe des Tages aufgenommen. Das Ziel: Erklären lernen, wie die mächtige UEZ 1000-Anlage funktioniert. Und das nicht in einem schnarchend öden Schülervortrag, sondern mit Hilfe aller Medien, die die Jugendlichen wollen. Auch das gehört zum Unterrichtskonzept.

Psst. Vorführung, ruft Lennert. „Lach- und Sachgeschichten mit der UEZ 1000“, dröhnt es aus dem PC-Lautsprecher. Die Stimme eiert wie die eines Betrunkenen. „Der Sprecher will unerkannt bleiben“, giggert Lennart. Lalalala dideldum, düddelt es aus der Box. Auf dem Monitor wandert ein Zeigefinger über die Eingeweide der aufgeschraubten UEZ 1000. „Dies ist das Bedienteil, wenn Sie das hochnehmen, sehen Sie, wo Platz für weitere Akkus ist. Dies ist die Anschaltplatine, das die serielle Schnittstelle ... So, nun wissen Sie, wie die UEZ 1000 funktioniert.“ Ausbildungsleiter Zwinge grinst zufrieden. Wer Inhalte mit so einem Auftritt präsentiert, behält sie ewig.

Häufiges Pendeln

Der Lehrlingstrupp kommt nicht nur aus Berlin, sondern auch aus den neuen Bundesländern. Viele werden hier nicht ausgebildet. Aber wer eine Lehrstelle bekommt, hat bei Bosch die Anstellung fest in der Tasche. Unproblematisch ist die kleine Zahl der Azubis nicht. Weil es sich nicht lohnt, extra einen Ausbilder etwa für den kaufmännischen Teil der Ausbildung einzustellen, müssen die Azubis dafür zu Bosch nach Frankfurt reisen. In einigen der neuen Ausbildungsberufe feilt Bosch noch an der Organisation. Rumreisen kostet Zeit. Häufiges Pendeln zwischen den Ausbildungsstätten macht wenig Sinn.

Im Laufe der Ausbildung lernen die Lehrlinge verschiedene Arbeitsbereiche kennen. Das ist unverzichtbar. Denn später, wenn sie auf sich gestellt durch das Land zu ihren Kunden fahren, müssen sie die Abläufe in der Auftragsbearbeitung, im Innendienst, bei der Reklamation kennen, müssen wissen, wie das Geschäftsleben funktioniert. Noch sind Lennert und Dennis, Stefan, Martin und die anderen im ersten Ausbildungsjahr. In spätestens sechs Monaten fahren sie erstmals mit ihrem Mentor raus zu Kunden. Zur Montage vor Ort. Am Ende des zweiten Lehrjahrs machen sie sich allein auf Tour. Im dritten Lehrjahr können sie sich spezialisieren.

Dennis ist mit seiner Wahl zufrieden. Nach der Schule hatte er irgendwas mit Elektronik machen wollen. Zu dem IT-Systemelektroniker riet ihm Bosch nach dem Eignungstest. „;Der Bereich ist wirklich interessant“, findet er. Auch Lennert mag die Technik: „Am liebsten würde ich später mal in der Sicherheitstechnik für Banken arbeiten. Ich glaube, das ist spannend, da bekommt man viel mit. Und das Schöne ist: Unsere Branche ist zukunftssicher.“