Repräsentiert wird nicht um jeden Preis

■ Arme Staaten belassen ihre Botschaften in Bonn. Da sind die Mietpreise günstiger als in der Hauptstadt. Aber wer nicht ins Zentrum der Macht zieht, der kann gleich zu Hause bleiben

Für arme Staaten war es eine bittere Pille, dass sie sich in zentraler Lage keine eigene Villa mehr leisten können

Viel Platz, um sich auszubreiten, hat der kirgisische Botschafter Apas Dschumagulov nicht. Der enge, muffige Raum ist mit alten Büromöbeln voll gestellt. Ein halbes Dutzend Männer sitzt gedrängt an Schreibtischen. Dschumagulov hat sich in einer kleinen Ecke des Zimmers eingerichtet. An die eine Seite seines Schreibtisches hat er sich eine beige Ledercouch stellen lassen, für Besucher. „Bald werden wir eine schöne, neu renovierte Botschaft haben“, sagt Dschumagulov entschuldigend.

Die Republik Kirgistan ist ein armes Land. Trotzdem hat sie noch genug Geld, um sich im noblen Stadtteil Charlottenburg eine neue Botschaft in einer Villa herzurichten. Viele andere Staaten können sich das nicht leisten, sie bleiben bis auf weiteres in Bonn. „Vom ersten Arbeitstag an, vor eineinhalb Jahren“ habe er selbst immer wieder nach einem geeigneten Objekt in Berlin gesucht. Schließlich habe er die Villa gefunden, und mit dem Eigentümer, dem Senat von Berlin, sei er schnell handelseinig geworden. Noch aber fehlt Geld, um das Haus zu kaufen. Darum hat der zentralasiatische Staat die Villa zunächst nur gemietet.

Wer es sich halbwegs leisten kann, bezieht eine neue Repräsentanz in Berlin. Viele Botschaften aber müssen in Bonn bleiben, darunter die fast aller afrikanischen Staaten. Nur Südafrika, Namibia und der arme westafrikanische Inselstaat Kap Verde sind bereits in der Hauptstadt. Mehr als zwei funktionale und bescheidene Büroräume in Berlin-Mitte mit Blick auf den Bahnhof Friedrichstraße war für Kap Verde nicht drin. Die fünf Botschaftsangehörigen teilen sich 70 Quadratmeter. Nur 15 Quadratmetern groß ist das Arbeitszimmer von Botschafter Victor Fidalgo. Sein Stellvertreter und die anderen Mitarbeiter arbeiten im zweiten Raum. „Mehr können wir uns nicht leisten“, sagt Fidalgo. „Aber wenn man mit seiner Botschaft nicht in der Hauptstadt ist, ist man nicht im Land vertreten.“ Trotzdem scheuen viele Botschaften den Umzug. Sie haben in Bonn alte Mietverträge und zahlen deshalb weit weniger als die oft in Berlin verlangten 25 Mark pro Quadratmeter.

Staaten, die über Grundbesitz in Bonn verfügen, können sich eigentlich glücklich schätzen. Doch schneller kommen sie deshalb auch nicht nach Berlin. Beim Verkauf von Botschaftseigentum laufe nicht alles nach rein fiskalischen, logischen Maßstäben, sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Viele Regierungen gerade afrikanischer Ländern seien instabil, kümmerten sich nicht um die Anliegen ihres Landes im Ausland. Ein Sprecher der Botschaft von Kongo in Kinshasa spricht wohl für viele afrikanische Staaten, wenn er sagt: „Wir haben keinen Bescheid von unserer Regierung, wann und ob wir umziehen.“

Die Botschaften in Berlin haben sich in der ganzen Stadt angesiedelt. In Pankow genauso wie in Mitte, Tiergarten und im Südwesten. Aber das Regierungsviertel ist teuer. Hiltrud Sprungala von der Berliner Botschaftsbörse – eine Initiative des Berliner Senats, die bei der Suche nach geeigneten Immobilien hilft – sagt: „Für die ärmeren Staaten war es bisweilen eine bittere Pille, zu akzeptieren, dass sie sich in einer zentralen Lage keine eigenständige Villa wie in Bonn leisten können.“ Kirgistan hatte mit seiner Villa in Berlin Glück. „Die Miete ist zwar hoch, aber bezahlbar“, meint der Botschafter. Sein Land müsse in Deutschland angemessen repräsentiert sein, da die Bundesrepublik ein wichtiger wirtschaftlicher Partner sei.

Die Botschaft von Kap Verde drücken ebenfalls Geldsorgen. Der Botschafter Fidalgo lässt sich aber den Stolz auf sein Land nicht nehmen: „Wir sind zwar arm, aber eine der wenigen parlamentarischen Demokratien Afrikas. Bei uns werden Umzüge von Botschaften im Parlament beschlossen und anschließend geplant. Hier wird nicht nach Gutdünken entschieden wie in anderen Staaten.“ Durch die detaillierte Vorbereitung des Umzuges nebst Kreditaufnahme und dem Verkauf der Immobilie in Bonn hätte die Botschaft des Inselstaates den Umzug schließlich gut gemanagt. Ein wenig mehr Unterstützung von Seiten der deutschen Regierung wäre aber hilfreich gewesen: „Es wäre gut, wenn die deutsche Regierung, ähnlich wie die Schweiz, armen Ländern kostenlos Büroraum zur Verfügung stellen würde.“ Das lehne der Bund bislang ab.

Im Auswärtigen Amt wird überlegt, den in Bonn verbliebenen Botschaften ab Januar wochenweise möblierte Einzimmerappartements zur Verfügung zu stellen. Arbeitstitel: „Bürotel“. Annette Rollmann