Frauen zu den Waffen

Die Vorentscheidung des EuGH bringt die Parteien auf Trab. Ernsthafter Widerstand gegen eine Grundgesetzänderung ist nicht in Sicht. Fällt die Wehrpflicht?  ■   Von Heide Oestreich

Berlin (taz) – Es dämmert. Im Frühjahr wird es voraussichtlich ein Urteil des europäischen Gerichtshofes (EuGH) geben, das Tanja Kreil erlaubt, Panzer bei der Bundeswehr zu reparieren. Und langsam dämmert den bundesrepublikanischen Parteien, dass sie dann über die Änderung des Grundgesetzes nachdenken müssen, soll die Verfassung nicht der EU-Gleichstellungsrichtlinie offen widersprechen.

Die Frauen müssten im Krieg besonders geschützt werden, hatte das Verteidigungsministerium argumentiert. Würden sie im Militärdienst, und sei es nur in der Logistik, arbeiten, dann seien sie nach dem Kriegsrecht „Kombattantinnen“ und würden sowohl beschossen als auch in Kriegsgefangenschaft geraten können. Diese Argumentation wies Generalanwalt Antonio La Pergola in seinem Plädoyer zurück: Frauen seien nicht gefährdeter als Männer.

Mit dem vagen Wunsch der öffentlichen Meinung, dass Frauen irgendwie zu schützen seien, könne man keine Ausnahme von der Richtlinie begründen. Lediglich von kämpfenden Einheiten können Frauen ausgeschlossen werden – denn das gilt als „spezielle Gefährdungssituation“. Wer Panzer repariert, ist aber nicht speziell gefährdet, erklärt La Pergola, denn eine Bombe kann den Frauen auch dort auf den Kopf fallen, wo sie jetzt schon eingesetzt werden, zum Beispiel in den Verwaltungseinheiten in einem Krisengebiet.

Das hieße aber für die Bundesrepublik, dass sie sich von einem Absatz im Grundgesetz verabschieden muss, mit dessen Hilfe deutsche Gerichte Frauen, die bei der Bundeswehr Karriere machen wollten, bisher einen Riegel vor die Nase schoben: „Frauen dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“, steht in Artikel 12a, Absatz 4. Folgen die EuGH-Richter dem Generalanwalt – und damit ist zu rechnen –, dann müssen Frauen Kombattantinnen sein dürfen, also auch Waffen tragen dürfen – und der Satz muss weg.

Die Grünen reagierten prompt: Angelika Beer, ihre verteidigungspolitische Sprecherin, will die Debatte sofort beginnen: „Wir sollten nicht warten, bis das Urteil uns unter politischen Handlungsdruck setzt“, sagte sie der taz. Die FDP fordert die Streichung des Satzes. Die CDU, die den Frauen schon lange mehr Karrieremöglichkeiten beim Bund eröffnen wollte, ist in dieser Frage ganz einverstanden: „Natürlich muss man den Absatz jetzt ändern“, sagt die Vorsitzende der CDU-Frauen im Bundestag, Bärbel Sothmann. Und Paul Breuer, der verteidigungspolitische Sprecher, gibt den Schwarzen Peter an die SPD weiter: „Es war ja die parlamentarische Linke, die in den letzten Jahren nicht bereit war, sich der Diskussion zu öffnen.“

Das kann man nicht direkt behaupten, denn auch in der SPD plagten sich Arbeitsgruppen und Arbeitskreise mit dem Thema. Aber „wir hatten ja bis jetzt keinen Handlungsdruck und wollten eher unterhalb der Ebene des Grundgesetzes mehr Möglichkeiten für Frauen in der Bundeswehr schaffen“, erklärt Fraktionsvize Ulla Schmidt das zögerliche Herangehen der SPD.

Außer der PDS sind allen Parteien die Argumente gegen Frauen an der Waffe ausgegangen. Den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Peter Zumkley, der selber Oberst war, graust es zwar immer noch bei dem Gedanken, dass Frauen in einem Krisengebiet mitkämpfen, aber „in der Diskussion sehe ich schlecht aus“, gibt er zu, „ich kämpfe da nicht mehr“.

Vor dem Hintergrund dieses fraktionsübergreifenden Ergebens in die Fakten, die der EuGH wohl schaffen wird, wirkt die Einschätzung der Wehrbeauftragten Claire Marienfeld (CDU) wie ein frommer Wunsch: Sie sehe keine Mehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes, ließ sie sich auch nach der EuGH-Vorentscheidung noch zitieren. Wo sich aber die gegnerische Mehrheit verstecke, konnte sie nicht sagen.

Spätestens im nächsten Frühjahr wird sie sich also zu bewegen beginnen, die Bundeswehr. Der Wehrstrukturkommission wird das EuGH-Urteil Beine machen. Vielleicht auch noch in ganz anderer Hinsicht: Denn wenn der berühmte Satz aus dem Grundgesetz verschwindet, gibt es nur noch wenig Gründe, warum die Frauen freiwillig beim Bund Krieg spielen dürfen, die Männer aber verpflichtet werden. „Da brauchen Sie nur auf die erste Klage eines Mannes auf Gleichbehandlung zu warten“, gibt die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk, zu bedenken. Und auch ihre Parteikollegin Beer meint: „Eigentlich muss man die Wehrpflicht vorher abschaffen, sonst gibt es eine klare Ungleichbehandlung.“