Kann jeder ausgebildete Chemielaborant herstellen“

■ ABC-Labor für die Türkei ist nicht mehr und nicht weniger als eine moderne Messstation

Zum möglichen Verkauf eines deutschen ABC-Labors an die Türkei sind gestern neue Einzelheiten bekannt geworden. Das mobile Analyse-Labor, das die Türkei zu kaufen begehrt, kann sowohl atomare Strahlung als auch biologische Erreger und chemische Stoffe aufspüren und messen.

Der türkische Militärattaché hatte bei einem Besuch des wehrwissenschaftlichen Instituts für ABC-Schutz der Bundeswehr in Münster Interesse angemeldet. Die Bundeswehr hat ein solch mobiles Labor am ABC-Schulungszentrum im bayerischen Sonthofen stationiert. Das Labor steht auf vier Containern, die fest auf vier Lastwagen montiert sind. Es sei mit modernster Technik ausgerüstet, hieß es von Seiten der Herstellerfirma Henschel, die ihr Produkt als „weltweit führend bei der Identifizierung und Abwehr von Gefahrstoffen“ bezeichnet. Die Ausrüstung ist „sehr teuer, aber handelsüblich“ und kann nach Darstellung der Bundeswehr „von jedem gekauft werden.“

Das mobile Labor ist mit Strahlenmessgeräten ausgerüstet, die Radioaktivität und Giftstoffe bestimmen können. Diese Gerätschaften, aber auch solche für die Analytik von Schwermetallen kommen zum Einsatz, wenn Soldaten auf fremdem Terrain die Umweltbelastung des Bodens und des Trinkwassers ermitteln wollen. Zuletzt war das Labor in Polen unterwegs, um bei einer Bundeswehrübung in der Nähe von Tschernobyl die Strahlenbelastung zu messen. Das Labor verfügt auch über Brutöfen zur Anzucht von biologischen Kulturen und Erregern, „wie sie jedes moderne Krankenhaus besitzt“, sagt ein Henschel-Sprecher.

Die Technik des Labors lässt sich nicht zur Herstellung von chemischen Kampfstoffen nutzen. Dazu ist ein solch großer Aufwand gar nicht nötig. Hier gilt noch immer die Regel, dass „jeder gut ausgebildete Chemielaborant in der Lage ist, solche Stoffe zu synthetisieren“, so der Kieler Toxikologe Professor Othmar Wassermann.

Das mobile Labor der Bundeswehr hat weder offensiven noch defensiven Charakter. Es ist eine Gefahrstoff-Analytik, die auf heimischem Terrain genauso funktioniert wie nach einem Eroberungskrieg. Im Zuge des so genannten neuen Aufgabengebiets der Bundeswehr, die Krisenbewältigung im Ausland, soll das Messlabor die Sicherheit der Soldaten vor Vergiftungen und Strahlung garantieren.

Neben dem Labor möchte die Türkei mit deutscher Hilfe offenbar auch ein ABC-Schulungszentrum einrichten, wie es von der Bundeswehr in Sonthofen betrieben wird. Dort werden Führungskräfte in der der Analytik ausgebildet. Es geht aber auch um die Berechnung von Kampfstoffwolken unter bestimmten Wind- und Temperaturverhältnissen.

Die Türkei hat nach Auskunft des Verteidigungsministeriums ihren Wunschzettel noch nicht exakt bestimmt. Zur Vorzeigetechnik der Bundeswehr gehört auch der Spürpanzer „Fuchs“, der ebenfalls mit moderner Messanalytik ausgerüstet ist und mit seiner speziellen Schutzbelüftung auch in verseuchten Gebieten operieren kann. An ihm habe die Türkei bisher kein Interesse angemeldet. An deutscher Analytik sind auch die USA, Österreich und die Vereinigten Emirate interessiert. Die bundesdeutsche Technik gilt als führend auf diesem Gebiet. Manfred Kriener