Zigarettenautomaten als Glaubensfrage

■ Interview mit Andreas B. (34), Aktivist in der Roten Flora seit der ersten Stunde

taz : Seit zehn Jahren ist die Rote Flora besetzt – also ohne Nutzungsvertrag. Wird es je einen geben?

Andreas B.: Dass die Stadt die Zustände legalisieren will, ist nicht unser Problem. Wir müssen uns nicht den Kopf des Senats zerbrechen – die Flora kommt seit zehn Jahren gut ohne Vertrag aus.

So entspannt war man nicht immer ...

Im November 1989 dachten wir tatsächlich, dass die Stadt uns innerhalb weniger Tage räumen lassen würde. Dafür sprachen vor allem die Erfahrungen mit der Hafenstraße. Aber es passierte nichts.

Warum eigentlich nicht?

Vielleicht hat der Senat gar nicht begriffen, welches Kuckucksei er sich da ins Nest geholt hat, als Oberbaudirektor Egbert Kossack uns die Flora für sechs Wochen überließ.

Hat sich das Verhältnis zur Stadt seither verändert?

Es war ja immer eher ein Nicht-Verhältnis. Der Senat und der Bezirk Altona haben sich die Zuständigkeit hin- und hergeschoben wie eine heiße Kartoffel. Ich nehme an, dass es auch einigen Leuten Spaß gemacht hat, die Hände schützend über uns zu halten. Lägen wir auf der anderen Straßenseite im Bezirk Mitte, wären wir schon lange platt.

Hat sich die Flora verändert?

Wer von der ersten Besetzergeneration übrig ist, lässt sich an drei Fingern abzählen. Der ständige Durchlauf von Menschen ist dabei Stärke und Schwäche gleichzeitig: Einerseits werden immer wieder neue Leute mit neuen Ideen integriert. Andererseits verliert die Arbeit laufend an Kontinuität. Und bitter ist, dass die Selbstorganisation soviel Kraft kostet: Die Leute gehen, weil sie schlichtweg verschlissen sind.

Hat die politische Linie der Flo-ra gelitten?

Insgesamt ist die Flora nicht mehr das klassisch-autonome Zentrum, das sie früher war. Es gibt jetzt mehr Hippies, mehr ökologisch ausgerichtete Gruppen. Aber auf den Plena wird genauso heftig diskutiert wie eh und je. Da werden Zigarettenautomaten im Haus zu Glaubensfragen... Aber die Themen derzeit sind vor allem die Anschläge von rechts auf linke Projekte und das Drogenproblem.

Welche Auswirkungen hat die Drogenproblematik?

Die Etablierung der Drogenszene 1997 war ein Einschnitt, der nicht nur die Flora, sondern den ganzen Stadtteil auf den Kopf gestellt hat. Dadurch, dass wir uns gegen alle polizeilich-repressiven Maßnahmen eingesetzt haben, ist die Flora sich zwar treu geblieben, hat sich aber auch im Viertel isoliert. Inzwischen jedoch hat unsere Haltung sogar bei einigen Geschäftsleuten Akzeptanz gefunden: Die haben auch bemerkt, dass durch Polizeipräsenz nichts besser wird.

Und wie gehts weiter?

Das weiß keiner. Die Flora ist offen und wartet darauf, dass immer wieder Neue kommen und sie sich aneignen. Die Flora ist kein Dienstleister. Sie ist das, was man in sie hineinträgt. Fragen: uwi