Politik der geschaffenen Tatsachen

„Bremens ältestes Hafenbecken, der Europahafen, bietet in naher Zukunft möglicherweise die Fläche für einen neuen Stadtteil. Nach einem Konzept von Hafensenator Konrad Kunick soll das wirtschaftlich unrentable Hafenbecken zugeschüttet werden. Auf der frei werdenden Fläche sollen dann, so plant Eva-Maria Lemke-Schulte, Senatorin für Stadtentwicklung, 2.500 Wohnungen gebaut werden.“ Das stand in der Bremer taz im September 1990. Seit dieser Zeit wird der Gedanke debattiert, die Bremer City nach Westen hin zu erweitern – in die brach gefallenen Hafenreviere hinein. „Die künftige Bremer Hafenstadt könnte ein eigenwilliges Stück Wohnkultur werden“, sagte die Stadtplanungs-Senatorin damals.

1992 schrieb der Kommunalpolitiker Ralf Mulde in einem Leserbrief: „Wer über eine wirkliche städtebauliche Weiterentwicklung des Bremer Innenstadtbereichs nachdenkt, dessen Auge – wessen politischer Färbung auch immer – muss auf den Hafenbereich fallen. Gerade der Bereich der Handelshäfen kann einen dringend nötigen Übergang zwischen Stephaniviertel, Faulenviertel und Utbremen sowie Bahnhofsvorstadt darstellen.“

Damals schon begann die Politik, Tatsachen gegen solche stadtplanerischen Ziele zu schaffen. Eine Politik, die sich bis heute durchzieht: „Eduscho will erweitern – Tauziehen am Europahafen“ war damals das Thema. Per Handschlag versprach der damalige Häfensenator Uwe Beckmeyer Anfang der 90er Jahre den Firmen Eduscho und Kelloggs Schlüsselgrundstücke des Zugangs zum Europahafen.

Fruchtumschlag sollte im Europahafen konzentriert werden, war einmal die Parole. Bis der Fruchtumschlag aus Rentabilitätsgünden nach Bremerhaven zog.

Und dann wurden schnell 1,5 Kilometer der (nach Süden gerichteten) Europahafen-Kaje der Firma Dittmeyer für Obstsaft-Produktion verkauft. Und schlussendlich wurde das Becken des Überseehafens zugeschüttet. Aber nicht für einen Stadtteil mit „eigenwilliger Wohnkultur“, sondern für „hafennahes Gewerbe“: Die Öffnung der Mauer würde zu einer Zunahme des Binnenschiff-Verkehrs führen, hatte Beckmeyer jahrelang behauptet. Nun soll mitten auf das ehemalige Hafenbecken der Großmarkt gebaut werden. K.W.