Aus einem Panzer könnten 1.000 werden

Die Panzerlieferung in die Türkei sorgt weiter für Stress innerhalb der rot-grünen Koalition und der SPD. Außenminister Joschka Fischer: Beide Seiten haben ein brutal hartes Jahr hinter sich   ■  Aus Berlin Tina Stadlmayer

Der Streit um die Panzerlieferung an die Türkei entzweit die Koalition immer weiter. Auch innerhalb der SPD werden die Auseinandersetzungen heftiger. Der SPD-Bezirk Hessen-Süd sprach sich am Wochenende klar gegen die Lieferung eines Testpanzers an die Türkei und damit gegen die Linie von Bundeskanzler Gerhard Schröder aus. Die Entscheidung sei nicht zu verantworten und erhöhe das Risiko einer Eskalation des Konflikts mit den Kurden.

Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die im Bundessicherheitsrat neben Außenminister Joschka Fischer gegen die Lieferung des Testpanzers gestimmt hatte, plädierte für eine restriktivere Rüstungsexportkontrolle.

Der Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Bütikofer, heizte den Streit mit der SPD am Wochenende weiter an. In den Lübecker Nachrichten erklärte er ultimativ: „Mit uns wird es den Export der 1.000 Panzer in die Türkei nicht geben.“ Die Türkei hatte vor Monaten ihr Interesse an einer solchen Lieferung bekundet. Zunächst soll sie nun den Testpanzer erhalten.

Verteidigungsminister Rudolf Scharping sagte in der Welt am Sonntag, über die Lieferung der 1.000 Panzer müsse man „nicht spekulieren“. „Wir werden sehen, welche Fortschritte die türkische Politik erreicht und welche Verbesserungen entstehen im Schutz der Rechte von Menschen und Minderheiten.“ Es sei jedoch „völlig unbestreitbar“, dass die Türkei „in Fragen der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte erhebliche Mängel hat.“

In einem ARD-Interview sprach Außenminister Joschka Fischer von einer Reihe weiterer „schwerwiegender Export-Entscheidungsfragen“, die anstünden. Der nächste Konflikt zeichnet sich beim Wunsch der Türkei ab, den High-Tech-Kampfhubschrauber Tiger zu erhalten.

Zum Zustand der Koalition sagte Fischer: „Beide Seiten haben ein brutal hartes Jahr hinter sich, das wirklich auch an der Substanz gezehrt hat.“ Die Koalitionspartner dürften sich aber nicht von Emotionen leiten lassen. Die Grünen müssten bis zum Jahr 2002 zu einer richtigen Regierungspartei werden, „wenn wir 2002 die Wahlen gewinnen wollen.“

Auch die SPD-Führung räumt inzwischen offen ein, dass es Spannungen in der rot-grünen Regierung gibt und in der Partei eine chaotische Stimmung herrscht. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping beschwor auf dem Parteitag des SPD-Bezirks Hessen-Süd Erinnerungen an das Jahr 1995. Damals wurde er von Oskar Lafontaine als Parteivorsitzender entmachtet.

Jetzt sagte Scharping mit Blick auf die Stimmung in seiner Partei: „Sehr weit weg von den Zuständen des Jahres 1995 sind wir nicht.“ Dies sei ein „besonders risikoreicher Zustand.“ Normale Menschen könnten nicht den Eindruck haben, dass die SPD wisse, was sie wolle.

Scharping appellierte an die Parteimitglieder, sich nicht gegenseitig mit Etiketten wie modern, traditionell, links oder rechts zu bekleben. Gegenüber der Welt am Sonntag gab Scharping auch Spannungen in der rot-grünen Koalition zu: „Die Schwierigkeiten sind offenkundig.“ Sein Verhältnis zu Außenminister Joschka Fischer sei trotz des Streits um die Panzerlieferung an die Türkei „unbeschädigt.“ Die „Spannungen innerhalb der Grünen“ seien jedoch ein Problem für die Koalition.

Auch der künftige SPD-Generalsekretär Franz Müntefering räumte Schwierigkeiten mit dem Koalitionspartner ein: „Man darf nicht übereinander herfallen, wenn mal etwas schief läuft.“

Öffentliche Streitereien würden von den Wählern nicht honoriert: „Die Menschen wollen keine Selbstfindungsgruppe an der Spitze.“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner kritisierte im Berliner Tagesspiegel, Bundeskanzler Gerhard Schröder habe die Wichtigkeit seines Rückhalts in der Partei „vielleicht zu Anfang unterschätzt“. Die Partei müsse unbedingt „mitgenommen werden.“