: Doch, doch: Ferrari darf sich freuen
■ Häkkinens WM-Sieg in der Formel 1 hat Italien zutiefst deprimiert – im ersten Moment. Dabei war es doch das beste aller möglichen Ergebnisse, wenn denn schon einer Erster werden musste
Rom (taz) – Die schlechte Nachricht zuerst: Ferrari hat noch immer keinen Formel-1-Weltmeister. Jetzt die gute: Ferrari-Pilot Eddie Irvine ist es auch nicht geworden. Er wurde nur dritter hinter Sieger Häkkinen und Stall-Rivalen Schumacher. Und selbst wenn Schumi ihn vorbeigelassen hätte, wäre mehr als der jetzige zweite Platz in der Gesamtwertung für den Nordiren nicht herausgesprungen.
Während die erste Nachricht Italien in tiefschwarze Trauer versetzt und wohl nur den Mercedes-Mc-Laren-Leuten ein Pläsier ist, freut sich über die zweite ein ganzer Schwarm von Zeitgenossen. Michael Schumacher natürlich – man stelle sich vor, Irvine hätte die Formel 1 gewonnen – während er, Schumi, vor drei Jahren mit höchsten Erwartungen als Chefpilot verpflichtet, noch immer dem Erzrivalen Mika Häkkinen hinterherröhrt. Nächstes Jahr wird er so nun wieder unumstritten Nummer eins bei Ferrari sein, mit dem eher als Bruchpiloten geltenden Ruben Barrichello hinter sich.
Auch das Ferrari-Team wäre mit einem Weltmeister Irvine wohl nicht froh geworden – wechselt der doch nun weg zum Sauber-Jaguar-Team, weil er sich von den Italiener nicht gut behandelt gefühlt hat. Wie sollte man den Fans erklären, dass man denjenigen, der nach zwanzig Jahren wieder einen WM-Titel holt, nun ziehen lässt?
Zwar hat Ferrari den Konstrukteurs-Weltmeistertitel erhalten. Aber wenig überzeugend wirkt auch bei den Italienern die Ausrede, nicht die Autos, sondern die Piloten hätten versagt – zwei Ausländer eben. Dass Irvine vor allem wegen der italienischen Schlamperei mit dem fehlenden vierten Austauschreifen vor vier Wochen entscheidende Punkte verloren hat, muss man ja nicht unbedingt dazu sagen. Aber leider haben viele das noch in Erinnerung.
So manchem im Ferrari-Team dämmert inzwischen freilich ein anderer Gedanke: Wäre es nicht doch besser gewesen, wenn der Formel-1-Weltverband vor zehn Tagen die Disqualifikation der Ferraris wegen der ominösen fünf oder zehn Millimeter am Windleitblech hätte bestehen lassen? Es wären eine herrliche Grundlage für die in Italien so beliebten Verschwörungstheorien – den Titel vorzeitig verloren am grünen Tisch, selbstverständlich wegen eines Komplotts der potenten Deutschen und der missgünstigen Briten. So aber muss man nun eher waghalsige Thesen zusammenbasteln: So etwa, dass Schumi, weil er Irvines Triumph verpatzen wollte, beim Start in Japan dem Finnen absichtlich nicht vorne weg gefahren, sondern irgendwie tapperig zickzack herumgekurvt ist, bis der Finne weg war.
Zuspruch zieht Ferrari da nur noch aus dem vernichtenden Urteil, das der ehemalige F-1-Weltmeister Jody Scheckter am Voranbend des Rennens über sämtliche Titel-Aspiranten gefällt hat: Keiner verdiene die Trophäe, denn „Irvine kann überhaupt nicht anständig fahren, Schumacher ist zu unzuverlässig, und Häkkinen macht unentwegt unentschuldbare Fehler“. Nun, Häkkinen hat gewonnen, daher muss Ferrari seine Cracks nicht mehr verteidigen. Auch ein Trost. Werner Raith
Kommentar Seite 10, Porträt Seite 11
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