Schwein gehabt: Beef wird frei

Im Rindfleischkrieg feiert Großbritannien die EU-Empfehlung als Sieg – und wartet auf neue Zumutungen aus Frankreich und Deutschland    ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Tony Blair kann zufrieden sein. Seine Strategie im Rindfleischkrieg mit Frankreich und Deutschland hat sich bisher ausgezahlt. Der britischen Regierung ging es dabei freilich nicht um Rindfleisch, sondern um die Glaubwürdigkeit ihrer Europa- Politik.

In diesem Jahr gab es immer noch 3.000 neue BSE-Fälle in Britannien. Inzwischen sind mehr als 170.000 Rinder an der Seuche gestorben. Nachdem die 16 EU-Experten am Freitag aber einstimmig entschieden, dass die französischen und deutschen Bedenken gegen die Einfuhr von britischem Rindfleisch haltlos sind, müssen beide Länder den Importstopp aufheben – sonst droht ihnen eine Klage der EU-Kommission. Blair hatte betont, dass man als guter Europäer in Brüssel Recht bekomme, wenn man mit kühlem Kopf und stichhaltigen Argumenten auftrete. Die Boulevardpresse dagegen hatte heftig Stimmung gegen die EU gemacht und Blair Kleinmut, Naivität und Verrat britischer Interessen vorgeworfen.

Besonders die Daily Mail lief zur Hochform auf und brachte täglich Beispiele für neue Gemeinheiten aus Brüssel, die am Freitag in der Überschrift gipfelten: „Die endgültige Demütigung“. Dabei ging es um die Entschädigung von bis zu 100 Millionen Pfund, die London an spanische Fischer zahlen muss, weil ihnen verbotenerweise jahrelang der Zugang zu britischen Gewässern verwehrt war.

Die Stimmung bei der Roastbeef-Nation ist angeheizt, der französische Importstopp hat einen breiten Boykott der Waren von jenseits des Ärmelkanals ausgelöst. Oberster Boykotteur ist Landwirtschaftsminister Nick Brown, was Blair-mit-dem-kühlen-Kopf gar nicht gern sieht. In vielen Restaurants verkünden Schilder, dass „garantiert nichts Französisches“ auf den Tisch komme, manch Kneipier erhebt eine Sonderabgabe von fünf Pfund auf französischen Wein, die den britischen Bauern zugute kommen soll.

Die Demonstrationen der Bauern in den Häfen von Dover und Folkestone sind nach der Entscheidung vom Freitag jedoch erstmal vorbei. Der Bauernverband will abwarten, wie Deutschland und Frankreich reagieren.

In Frankreich hängt die weitere Entwicklung von den 30 Wissenschaftlern des Ausschusses für Lebensmittelsicherheit ab. Jean Glavany, der Landwirtschaftsminister in Paris, sagte, seine Regierung könne nicht unabhängige Ausschüsse einsetzen und ihre Empfehlungen dann ignorieren. Sollte der Ausschuss die Öffnung der Grenze für britisches Rindfleisch weiterhin ablehnen, wird die französische Regierung es wohl auf einen Prozess mit der EU ankommen lassen. Und der könnte Jahre dauern.

Auch wenn Paris am Ende verliert, so wäre der britische Rindfleischmarkt noch nachhaltiger ruiniert, als er es jetzt schon ist. 1985, kurz bevor der erste BSE-Fall bekannt wurde, exportierte Großbritannien über 200.000 Tonnen Rindfleisch in die anderen EU-Länder, die Hälfte davon nach Frankreich. Zehn Jahre später waren es nur noch gut 20.000 Tonnen, bis 1996 das generelle Exportverbot verhängt wurde. Die britische Regierung erwartet, dass der Fleischexport, der 1985 noch 520 Millionen Pfund wert war, bis zum Jahr 2001 wenigstens wieder auf ein Zehntel dieses Betrages anwachsen wird, nachdem die EU-Kommission das Exportverbot am 1. August aufgehoben hat.

In den meisten Ländern außerhalb der EU sind die Grenzen für britisches Rindfleisch noch immer dicht, nur Hongkong, Gibraltar, Mauritius, Tschechien und Zypern lassen die umstrittene Ware herein.