■ Nachschlag
: Freimarktherzen

Der Freimarkt: Das ist die fünfte Jahreszeit, sagen seine Vermarkter. Das ist die Zeit der Lebkuchenherzen, denke ich beim Bummel über den Festplatz. Überall hängen sie, und ob man will oder nicht, man liest sie, die sinnigen und weniger sinnigen Sprüche, liebevoll und schnörkelig in buntem Zuckerguss auf das Herz gespritzt. Da lacht mich das klassische „Ich liebe dich“ an. Eine schlichte Botschaft, wie sie schon unsere Eltern kannten. Daneben baumelt ein „Ischa Freimarkt“-Herz. Zwar recht prosaisch, denn wer in Bremen hat nach zwei Wochen andauernder Fröhlichkeit etwa noch nicht bemerkt, dass Freimarkt ist, dafür aber trotzdem aus keinem Lebkuchenherzen-Basissortiment wegzudenken ist. „Dick ist schick“, lese ich im Stillen weiter, während neben mir eine Frau genau diese Worte ihrem etwas übergewichtigen Begleiter lachend an den Kopf wirft.

Ich gehe weiter, kaufe gebrannte Mandeln, und mein Blick bleibt hängen an einer ganzen Reihe von Herzen, aufgereiht wie Perlen an einer Schnur: „Häschen, Dufte Biene, Süße Mieze, Geile Maus“, – und ganz zum Schluss: „Liebling, zier' dich nicht“. Voilà, hier haben wir eine andere Kategorie von Herzen. Eine Kategorie, die mir als Frau klar macht, dass der Freimarkt wohl eine Männerwelt ist. Nicht zu zieren hat sich eine Frau, sie hat (sexuell) verfügbar zu sein. Dieses Lebkuchenherz hat seine Bestimmung verfehlt, denke ich noch entrüstet, während ich mich umdrehe. Sind Herzen nicht immer noch Symbole der Liebe? Für Botschaften wie „Ich fick dich auch gegen deinen Willen“ sollten sie jedenfalls nicht missbraucht werden. Tanja Vogt