■ Haushalt: Hilft das unerwartete Steuerplus Rot-Grün?
: Nur eine Atempause

Wer hätte das gedacht: Die zerfranste rot-grüne Regierung hat Glück. Die Konjunktur belebt sich – und bringt höhere Steuereinnahmen. Zwischen drei und fünf Milliarden Mark mehr als erwartet sollen 1999 hereinkommen, und auch die Prognose für das Jahr 2000 wird um mehrere Milliarden übertroffen.

Oskar Lafontaine, man soll es nicht verschweigen, hat seinen Teil dazu beigetragen. Die allererste steuerpolitische Maßnahme der Regierung, das von niemandem außer den steinreichen und stinkwütenden Energie- und Versicherungskonzernen so recht verstandene „Stopfen der Steuerschlupflöcher“, lässt die Kassen des Staates klingeln. Und sogar Theo Waigels Mehrwertsteuererhöhung aus dem Jahr 1998 weitet den Anteil des Fiskus an den Umsätzen aus – so könnte Sanieren gehen, wenn die Wirtschaft nur ein bisschen brummt.

Die windfall profits, die Rot-Grün laut Steuerschätzung nun verbucht, werden freilich am Sanierungskurs nichts ändern. Der Finanzminister denkt gar nicht daran, das Sparpaket nun zu reduzieren. Eichel wird es gelassener durch den Bundesrat schicken. Das ist aber auch schon alles.

Und der Regierung insgesamt bringt das Surplus allenfalls eine Atempause. Denn auch wenn diese Steuermehreinnahmen die Haushaltslage entspannen – die tiefen Gräben und Furchen, die den Regierungsacker inzwischen durchziehen, bleiben. Nach einem Jahr Machtverbrauch von Schröder, Fischer und den anderen sollte man besser von einem Koalitionsschlachtfeld sprechen. Das gilt auch für die Finanzpolitik. Die selbst ernannte Reformregierung greift in die gesamte steuer- und haushaltspolitische Architektur der Republik ein: Die Schulden sollen runter, die Steuern auch, egal ob für Unternehmer, Klein- oder Großverdiener. Zugegeben, das hatte sich die Regierung Kohl lange nicht getraut. Am Ende fehlte ihr die Kraft dazu.

Rot-Grün aber, so hat man den Eindruck, demontiert sich selbst dabei. Den Sozialdemokraten hat das Sparpaket, ehe sein Sinn recht verstanden und seine fiskalischen Folgen absehbar gewesen wären, bislang nur Wahlniederlagen eingetragen. Mittlerweile ist so vieles begonnen und halb schon wieder zurückgenommen, dass sich der Eindruck handwerklicher Unfähigkeit breit macht – und das nicht nur bei den überskeptischen Großkommentatoren der FAZ. Aber wer weiß, vielleicht sprießen am rot-grünen Ast ja erneut Blätter. Ganz abgesägt haben sie ihn, die darauf sitzen, noch nicht. Christian Füller