Nur Wrackteile geben Aufschluss

Die US-Behörden rätseln über die Ursachen des Absturzes der Boeing 767 der Egypt Air. Schon wird über Konstruktionsfehler spekuliert  ■   Aus Washington Peter Tautfest

Um kurz vor halb zwei Uhr morgens verschwand die Boeing 767 der Egypt Air in einer sternklaren ruhigen Nacht aus bisher ungeklärten Gründen plötzlich vom Radarschirm. Funk- und Radaraufzeichnungen zeigen, dass das Flugzeug, das von Los Angeles nach Kairo unterwegs war, mit einer Geschwindigkeit von 7.000 Metern in der Minute wie ein Stein vom Himmel ins Meer vor der Ostküste der USA fiel – eine Fallgeschwindigkeit so groß, dass sie nach Auskunft US-amerikanischer Piloten von den Instrumenten nicht einmal aufgezeichnet wird.

Die Katastrophe muss derart unverhofft und plötzlich hereingebrochen sein, dass es keinerlei Fehler- oder Alarmmeldung aus dem Cockpit gab. Damit ereignete sich innerhalb der letzten drei Jahre bereits der dritte Unfall, bei dem aus bisher ungeklärter Ursache Flugzeuge vor der nordamerikanischen Atlantikküste abstürzten – das vierte, wenn man den Absturz von John F. Kennedys Privatmaschine hinzurechnet. 1996 stürzte die TWA 800 auf ihrem Flug nach Paris ins Meer; in diesem Herbst noch soll der Bericht über die Ursachen dieses Unglücks fertig werden. Letztes Jahr stürzte vor der kanadischen Küste bei Nova Scotia eine Swissair-Maschine ins Meer. Das Flugzeug der Egypt Air stürzte nach Erreichen der Reiseflughöhe ab, die für gewöhnlich als der sicherste Teil des Fluges gilt.

Wie schon bei den Abstürzen von TWA und Swissair wird die Ursachenforschung schwierig und langwierig sein, die Wrackteile werden vom Meeresboden geborgen werden müssen. Materialuntersuchungen werden ergeben müssen, wann das Flugzeug auseinander brach – ob erst im Verlaufe des Sturzes durch die enormen Windströmungen oder schon vor Beginn des Sturzes, was auf eine Bombe schließen lassen würde.

Bomben hinterlassen Spuren an Wrackteilen. Beteiligt an den Bergungs- und Ermittlungsarbeiten ist das National Transportation Safety Board (NTSB), das Unfälle mit öffentlichen Verkehrsmitteln untersucht, die Flugsicherungsbehörde, sowie Küstenwache, Verteidigungsministerium, die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und die herstellenden Firmen Boeing und Pratt & Whitney, von der die Düsentriebwerke stammen. Auch das FBI ist eingeschaltet, spielt aber diesmal eine betont untergeordnete Rolle.

Während nach dem Absturz der TWA-Maschine sofort über Sabotage oder einen Terroranschlag spekuliert wurde und das FBI bei der bisher längsten Untersuchung eines Flugzeugsabsturzes eine dominante und höchst kontroverse Rolle spielte, war das FBI bei der Pressekonferenz des NTSB in Washington am Sonntag nicht einmal aufs Podium geladen – und das obwohl Ägypten in letzter Zeit wiederholt von Anschlägen islamischer Fanatiker heimgesucht worden ist.

Die New York Times wusste auch zu vermelden, dass die US-Luftfahrtbehörde im Oktober vor möglichen Anschlägen auf in Los Angeles oder New York startende Maschinen gewarnt hatte. Flugzeuge stürzen in der Regel aus einem von fünf Gründen ab: Flugfehler, Wartungsfehler, Konstruktionsfehler, schlechtes Wetter oder Bomben. Vor allem Konstruktions- und Wartungsfehler sind seit dem TWA-Absturz in das Blickfeld der Aufmerksamkeit geraten.

Im Falle der Egypt-Air-Maschine wird die Entzündung von Flugbenzindämpfen in fast leeren Tanks, die sehr wahrscheinlich den Absturz der TWA-Maschine verursachten, weitgehend ausgeschlossen. Anders als die TWA-Maschine, die stundenlang bei sengender Sonne auf einem heißen Rollfeld gestanden hatte, startete die Egypt Air im kühlen Oktober mitten in der Nacht.

Über einen Konstruktions- oder Fertigungsfehler wird auch schon spekuliert. Die Maschine der Egypt Air, die am Sonntag ins Meer stürzte, rollte 1989 unmittelbar nach einer anderen Unglücksmaschine bei Boeing vom Band. Ihre Vorgängerin war die Maschine der Lauda Air 767, die vor acht Jahren in Thailand in den Urwald stürzte. Die Katastrophe hatte ein Schalter ausgelöst, der die Triebwerke rückwärts laufen lässt, um bei Landung die Geschwindigkeit zu bremsen. Der Mechanismus wurde während des Fluges ausgelöst. Beide Maschinen wurden nur wenige Tage vor einem Streik der Boeing-Arbeiter fertig, die sich über zu viele Überstunden und entsprechende Überarbeitung beklagten.