■ Kommentar
: Können Ägypter fliegen?  Wie wir Flugzeugabstürze wahrnehmen

Jetzt einmal ehrlich. Was sind die ersten Gedanken bei der Nachricht über einen Flugzeugabsturz? Nicht notwendigerweise die gleichen. Es kommt darauf an, wer abstürzt. Als Flug 800 der US-Fluggesellschaft TWA vor Long Island ins Meer stürzte, da dachten zunächst alle an einen Terroranschlag. Experten durften binnen weniger Stunden vor laufenden Kameras mit ihrem Wissen über nahöstliche Terroristen glänzen. Als der Swissair-Flug 111 vor Nova Scotia abstürzte, da herrschte eigentlich nur große Ratlosigkeit ob der Tatsache, dass die Fluglinie einer Nation der Präzisionsuhrmacher von so einem Unglück heimgesucht wurde. Immerhin war die Maschine nicht in der Schweiz gebaut. Also wurde schnell der Flugzeugbauer McDonnell Douglas unter die Lupe genommen.

Und jetzt Egypt Air 990. Was soll man dazu sagen? Können die Ägypter tatsächlich fliegen? Normalerweise wird ihrer der gewöhnliche Pyramiden-Tourist nur als Kofferträger am Flughafen gewahr. Also – Drittwelt-Fluglinie: Schlamperei? Wartungsfehler – schon eher denkbar als bei den Eidgenossen.

Zugegeben, bei Egypt Air ist selten „der Kunde König“. Oft sind die Maschinen verspätet. Das Essen lässt zu wünschen übrig. Doch vom Kundenservice lassen sich keine automatischen Rückschlüsse auf den Service an der Maschine ziehen. Ein Blick auf die Unfallstatistik zeigt, dass Egypt Air nicht schlechter abschneidet als westliche Linien. Die Gesellschaft fliegt mit ihren 38 Maschinen 95 Flughäfen an. Der letzte Absturz von Egypt Air in Bangkok liegt fast ein Vierteljahrhundert zurück. Eine Maschine der Tochtergesellschaft Air Sinai ist vor 13 Jahren bei schlechtem Wetter im Anflug auf Kairo abgestürzt.

Die kommenden Untersuchungen werden wohl keine Möglichkeit ausschließen. Ein Terroranschlag, ein technischer Fehler im Aufbau der Maschine, Wartungsschlamperei der Gesellschaft oder menschliches Versagen des ägyptischen Piloten – möglich ist alles. Das Ergebnis wird hoffentlich zeigen, wer schuld ist – die Sicherheitsbehörden des John-F.-Kennedy-Flughafens in New York, der Flugzeughersteller Boeing, die Drittwelt-Fluglinie oder der Drittwelt-Pilot mit seiner zehntausendstündigen Flugerfahrung. Und an welche Möglichkeit haben Sie zuerst gedacht? Karim El-Gawhary

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