Die Großen bleiben unter sich

10. Jahrestag des Mauerfalls: Ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Grüne kritisieren, dass beim offiziellen Festakt kein ostdeutscher Redner vorgesehen ist  ■   Von Nicole Maschler

Berlin (taz) – Rechtzeitig zum 10. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November bricht die Diskussion um die Rolle der Ostdeutschen in der Wendezeit wieder auf. Der ehemalige Bürgerrechtler und Studienleiter der Evangelischen Akademie Wittenberg, Friedrich Schorlemmer, kritisierte, dass beim offiziellen Festakt kein einziger ostdeutscher Redner vorgesehen sei. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ließ jedoch am Montagabend keinen Zweifel: „An der Redefolge wird sich nichts mehr ändern.“

Hinter verschlossenen Türen hatte sich der Ältestenrat bereits am vergangenen Donnerstag festgelegt: Bei der „Sonderveranstaltung des Bundestages“ am 9. November sollen der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow, der frühere US-Präsident George Bush, Altkanzler Helmut Kohl, Regierungschef Gerhard Schröder und Thierse auftreten. Damit, kritisierte Schorlemmer, werde die Rolle der Bürgerbewegung beim Sturz des DDR-Regimes unterschlagen. „Die Mauer ist schließlich nicht gefallen, sondern das Volk hat sie gestürmt.“ Der ehemalige Bürgerrechtler Thierse spreche beim Berliner Staatsakt ausschließlich in seiner Funktion als Parlamentspräsident. „Ich würde aber gerne Bürger hören, die den Mauerfall aus ihrer Sicht beschreiben“, sagte Schorlemmer gestern zur taz.

Die PDS hatte demgegenüber vorgeschlagen, den ehemaligen DDR-Ministerpräsidenten Hans Modrow ans Rednerpult zu bitten. „Doch die Mehrheitsverhältnisse sprachen gegen uns“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Roland Claus. Schorlemmer kritisierte die Blockadepolitik der anderen Parteien: „Wenn schon nur große Politiker vertreten sind, dann gehört auch der kleine Hans Modrow dazu. Schließlich hat er wesentlichen Anteil am ganzen friedlichen Verlauf des revolutionären Umbruchprozesses gehabt.“

Die SPD hat bewusst darauf verzichtet, im Ältestenrat ostdeutsche Bürgerrechtler für die Rednerliste vorzuschlagen. „Das hätte sofort die Frage aufgeworfen, wer denn reden darf“, sagte eine Sprecherin der SPD-Fraktion. Ohnehin gehe es beim Festakt im Reichstag um die großen Weichenstellungen der Politik – und deshalb seien eben Männer wie Bush und Gorbatschow eingeladen.

Eine Haltung, die der kleine Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen nicht mittragen wollte. In der letzten Fraktionssitzung hatte sich der ostpolitische Sprecher der Partei, Werner Schulz, für die Bürgerrechtler stark gemacht. „Ich habe darauf gedrängt, dass dies kein Staatsakt ohne Akteure wird.“ Doch zu einem offiziellen Antrag konnten sich die Grünen nicht durchringen. Schulz schiebt die Schuld auf den Koalitionspartner.

Das eigentliche Problem aber war ein anderes. Den Bundestagsparteien mangelte es schlicht an einem Konzept für die Feierstunde. Da kam es gerade recht, dass Bush und Gorbatschow auf Einladung des Berliner Senats ohnehin in der Stadt weilten. Bei Schulz stößt so wenig politisches Gespür auf Unverständnis: „So sollte man mit einem solch bedeutsamen Ereignis wie dem 9. November nicht umgehen.“