Freispruch erster Klasse für Safwan Eid

Es gibt weder Beweise noch Indizien für die Schuld des Libanesen. Eine erneute Revision ist unwahrscheinlich  ■   Von Heike Haarhoff

Kiel (taz) – Am Ende gab es doch noch eine Geste der Versöhnung: Jean-Daniel Makudila, der vor vier Jahren bei dem Brand im Flüchtlingsheim in der Lübecker Hafenstraße seine Frau und fünf Kinder verloren hatte, reichte gestern Safwan Eid im Gerichtssaal die Hand. „Wir haben einen Schuldigen gesucht, wir haben ihn nicht gefunden“, sagte der Nebenkläger Makudila mit fester Stimme, „was will man jetzt noch machen?“

Jedenfalls keinen weiteren Prozess gegen Safwan Eid anstrengen: Der 23-jährige Libanese wurde gestern vom Kieler Landgericht vom Vorwurf der schweren Brandstiftung freigesprochen. Das Feuer hatte im Januar 1996 zehn Menschen getötet und 38 verletzt. „Es gibt keine tragfähigen Indizien, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen“, sagte der Vorsitzende Richter Jochen Strebos. Weder Zeugenaussagen noch Gutachten, noch der Lauschangriff auf Eid während seiner Untersuchungshaft hätten nachweisen können, dass er das Feuer gelegt habe. Strebos wurde deutlich: „Es gibt gewichtige Argumente, die für die Unschuld des Angeklagten sprechen.“

Safwan Eid nahm das Urteil mit unbewegter Miene auf. Allein seine Verteidigerin jubelte: „Ein sehr sauberes Urteil“, sagte Gabriele Heinecke, „einen besseren Freispruch kann es nicht geben.“ Denn im ersten Prozess in Lübeck war Eid vor zwei Jahren zwar auch freigesprochen worden – allerdings aus Mangel an Beweisen und damit „zweiter Klasse“.

Richter Strebos sah dafür keinerlei Anlass. Die Anklage, tadelte er die Staatsanwaltschaft, basiere „auf einer als Geständnis gewerteten Aussage gegenüber einem Zeugen“ sowie auf unzusammenhängenden Gesprächsfetzen aus Abhörprotokollen. Von einem Geständnis könne aber gar keine Rede sein. Denn selbst wenn Eid den Satz „Wir war'n's“ gegenüber dem Zeugen geäußert haben sollte, lasse das bestenfalls auf sein Zugehörigkeitsgefühl zu einer unbekannten Gruppe schließen, nicht aber auf Täterwissen, geschweige denn auf eine Tatbeteiligung.

In den Abhörprotokollen, wegen denen der Prozess überhaupt neu aufgerollt worden war, fänden sich zahlreiche Unschuldsbekundungen, aber keine belastenden Indizien. Im Gegenteil: „Die Protokolle sprechen eher dafür, dass der Angeklagte von dem Brand überrascht worden ist.“ Dass das Urteil für die Opfer und ihre Angehörigen unbefriedigend sein müsse, konnte Strebos „nachvollziehen“. Eine Berufung gegen das Urteil ist wenig wahrscheinlich: Die Staatsanwaltschaft hatte auf Freispruch plädiert.