Nebel der Kleinstadt

■ Wheat überraschen mit Details in der melancholischen LoFi-Oberfläche

Sie kommen aus der ersten von einer Frau gegründeten Stadt der Vereinigten Staaten. Vulgärpsychologen mögen daraus ableiten, was sie wollen – besonders bezüglich der Lieder dieser Band über enttäuschte Liebe. Doch Taunton, die im Südosten von Massachusetts gelegene Heimatstadt von Wheat, gilt auch als Antiquitätenmekka Neuenglands. Und diese Analogievorlage wollen wir uns nun doch nicht entgehen lassen. Denn Wheat spielen Indie-Rock, ein Genre, das manchem antiquiert erscheint. Nichts also, wofür man größere Aufmerksamkeit erwartet.

So waren Wheat auch hochzufrieden damit, mit Mitte zwanzig ihr ers-tes Album Medeiros bei dem nicht allzu renommierten Chicagoer Label Sugar Free Records herausgebracht zu haben und so leichter zu gelegentlichen Auftritten rund um Boston zu kommen. Ob es noch eine Platte geben würde, war unklar: Man hat ja schließlich auch noch Jobs und so. Doch dann kam etwas dazwischen, was sogar der Taunton Gazette eine Notiz in den Lokalnachrichten wert war: Ein kleines Londoner Label hatte 1998 eine Single mit dem besten Stück von Medeiros, „Death Car“, herausgebracht, und der NME kürte sie zur Single der Woche. „Death Car“ klingt, als hätten Guided By Voices ihren Tourbus wegen dichtem Nebel rechts ran fahren müssen und in der Wartezeit ein kleines, untypisch trauriges Lied komponiert.

Schön, aber nichts, was nicht zugleich auch in anderen US-Kleinstädten passiert. Doch Medeiros ist unter der wenig originellen melancholischen LoFi-Klangoberfläche voller Detailüberraschungen in Harmonien, Arrangements und Texten, die Vergleiche mit Built To Spill oder Pavement auch in punkto Eigenständigkeit nicht scheuen zu brauchen.

Und mit dem zweiten Album Hope And Adams kommt es nun noch besser: Auf der mit Dave Fridmann aufgenommenen Platte überwinden Wheat die gewisse Gleichförmigkeit ihrer Songs und erreichen die melodische Größe, die Fridmann zuletzt auch Mercury Rev entlockt hatte. So ringt die Musik dem Klagelied über die davongelaufene Geliebte etwas über das selbstmitleidige Jammern des weißen Kleinstadtkids Hinausgehendes ab; und genau da-rum geht es im besten Indie-Rock.

Von den ersten Konzerten in London wird berichtet, dass die Band sich nicht frontal, sondern im Halbkreis aufstellt: So, als gelte es zugleich sich selbstzuvergewissern und die Intimität der Musik zu bewahren. Nichts, was großes Entertainment verspricht also. Aber vielleicht eines dieser Konzerte, aus denen man ernstlich bewegt herausgeht, das grelle Licht des U-Bahnsteigs meidet und lieber zu Fuß nach Hause geht. Felix Bayer

Di, 9. November, 21 Uhr, Knust