„Liebe taz...“ Manchmal mit Heiterkeit

Betr.: „Anruf, Dr. Stuby“, taz bremen vom 13.10.

Unter der Überschrift „Bremer Prof mit kurzem Draht zur SED“ eröffnete die taz am 13. Oktober eine Diffamierungskampagne gegen Gerhard Stuby, die mit den seit McCarthy bekannten Methoden antikommunistischer Verdächtigung arbeitet. Zu den Methoden, mit denen einst die geistigen Erben des Hitler-Faschismus ihre politischen Gegner bekämpften, gehörten der Vorwurf der persönlichen Beziehung zu Kommunisten („guilt through association“ oder „Kontaktschuld“) und der Vorwurf der inhaltlichen Übereinstimmung in konkreten Fragen der Tagespolitik („Konsensschuld“), Anwürfe, mit denen die christdemokratische Mafia der 50er und 60er Jahre damals alle, die Adenauers Kurs der Remilitarisierung und der Reaktivierung alter Nazis nicht mitmachen wollten, als Komplizen des kommunis-tischen Feindes hinstellten. Eine Hetzkampagne, die an alte antikommunistische Traditionen anknüpfen konnte und das politische Klima der BRD nachhaltig vergiftete. Auch Gustav Heinemann, einer der integersten Politiker, die es in Deutschland je gab, wurde damals als Kommunistenfreund diffamiert und politisch kaltgestellt, weil er sich nicht an das antikommunistische Berührungsverbot hielt. Er hat das Vorwort zu meinem 1962 erschienenen Buch „Politische Diffamierung im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat“ geschrieben, in dem ich die vom inzwischen abgehalfterten Kommunistenjäger übernommenen Diffamierungsmethoden mit Beispielen aus der bundesrepublikanischen Praxis dargestellt habe.

Es ist nach 37 Jahren wieder hochaktuell, seit eine neue Generation von Denunzianten die in der Hochzeit des kalten Krieges praktizierte Methode der Ehrabschneidung wiederentdeckt hat. Ich habe mit Gerhard Stuby jahrelang im Bundesvorstand der Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) zusammengearbeitet und mit ihm und den 1.000 weiteren JuristInnen, die in diesem Verband organisiert waren (inzwischen sind es noch ein paar mehr), manchmal mit Heiterkeit, manchmal aber auch mit ohnmächtiger Wut die Verdächtigungen ausgehalten, mit der die Verfasser des alljährlichen Verfassungsschutzberichts, die uns als kommunistische Tarnorganisation diffamierten, ihre Verdummungsaufgabe und ihre Unentbehrlichkeit dokumentierten.

Es gab in der VDJ Meinungsverschiedenheiten, auch zur Einschätzung der DDR und zu den Menschenrechten im realen Sozialismus – gottseidank warf man damals noch keine Bomben zum Schutz von Menschenrechten ab. Aber darüber, dass auch und gerade mit Kommunisten hüben und drüben gesprochen werden musste, wenn man etwas bewirken wollte, waren wir uns einig.

Da gibt es jetzt Leute, die Unterschriften unter Resolutionen zum Maßstab für die richtige politische Gesinnung machen wollen, darunter auch Leute, die einst für Maos Kulturrevolution geschwärmt haben. Einspruch, Euer Ehren! Der stille, von der Öffentlichkeit unbemerkte Kontakt zu Machtträgern des anderen deutschen Staates war mitunter bei weitem erfolgsversprechender, wenn man z.B. jemand aus dem Knast holen wollte. Im Fall der Ausbürgerung von Wolf Biermann haben wir allerdings öffentlich protestiert, sowohl als VDJ (pflaumenweich) als auch als Einzelperson (etwas härter). Auch Gerhard Stuby war beide Male dabei.

Also bitte, hört auf, mit Dreck auf Leute zu schmeißen, die sich nicht an die offizielle Tabuisierung von Ostkontakten gehalten haben. Wer sich heute als Aktenschnüffler und Hilfssheriff der Staatsgewalt betätigt und DDR-Sympathisanten bloßstellt, kommt zu spät, um nicht von der Geschichte bestraft zu werden. Denn die nächste Generation wird doch wohl endlich vom Kapitalismus die Nase voll haben.“

Heinrich Hannover,

Rechtsanwalt und Autor des neu erschienenen Buches „Die Republik vor Gericht“