Pakt mit dem Schulte

■ Theaterchef Pierwoß erklärt Etat-Überziehung von 1,2 Millionen Mark / Weiterhin Rätselraten über die Verlängerung seines Intendantenvertrages

Es hätte eine öffentlichkeitswirksame Aktion werden sollen: Klaus Pierwoß, der Intendant des Theaters am Goetheplatz, und Kultursenator Bernt Schulte (CDU), der zugleich dem Theateraufsichtsrat vorsitzt, reichen einander die Füllfederhalter und unterschreiben vor laufenden Kameras den Intendantenvertrag mit seinen ungezählten Nebenabreden. So jedenfalls lautete das in Theaterkreisen hinter vorgehaltener Hand bestätigte Kalkül für die mehrfach verschobene und gestern endlich anberaumte Pressekonferenz zum „neuen“ Theater um das Theater (die taz berichtete). Zwei Wochen nach den Forderungen nach einer Theater-Etatkürzung durch den CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff und nach Bekanntwerden der Etatüberziehung von 1,2 Millionen Mark wäre diese Unterzeichnung des schon seit zwei Jahren zwischen Kulturbehörde und Theater hin- und hergeschobenen Vertragsentwurfs ein Akt mit hoher Symbolkraft gewesen. Doch dieses Kalkül ging nicht auf. Schulte kam nicht. Und Pierwoß musste allein Stellung nehmen.

„Ja“, so Pierwoß, „der Etat ist um 1,2 Millionen Mark überzogen.“ Diese Überziehung sei „misslich, aber nicht ungewöhnlich“ und zum größeren Teil dem Aufsichtsrat längst bekannt. Gemessen am Gesamtbudget seiner ersten fünfjährigen Amtszeit betrage diese Überschreitung 0,6 Prozent und werde in den nächsten Jahren vom Theater selbst wieder ausgeglichen. Auch beim Bau der Probebühnen gäbe es eine Verteuerung, deren Höhe noch unklar, aber auf jeden Fall nicht vom Theater zu verantworten sei, sagte Pierwoß. Und er betonte erneut die eigenen Einsparungen von zurzeit 12,5 Millionen Mark und fragte: „Was will die Stadt denn noch von uns?“

Genau das ist die Frage, die sich in der Bremer Kulturszene eine Menge Leute stellen. Mindestens sieben, wahrscheinlich aber über zehn Millionen Mark fehlen im jährlichen Kulturetat 2000 und 2001. Ab 2002 wird diese Summe wohl zu verdoppeln sein. In dieser Situation ist das Theater am Goetheplatz als größter Förde-rungsempfänger quasi die Spitze des Eisbergs und der Intendantenvertrag ein Symbol. Dieser Vertrag regelt neben arbeitsrechtlichen Fragen in Nebenabsprachen auch die Finanzierung des Theaters und darunter auch die zugesagte Übernahme der Tarifsteigerungen, die 2000 rund 700.000 Mark betragen dürften. Nach offizieller Sprachregelung „steht die Unterzeichnung unmittelbar bevor“, so Pierwoß in Absprache mit Schulte. Doch daran zweifelt nicht nur die SPD-Kulturpolitikerin Carmen Emigholz: „Mein Eindruck ist, dass die CDU das noch einmal ausverhandeln will.“ Hartmut Spiesecke, der Sprecher des Kultursenators, dazu: „Kein Kommentar.“ Aber: Pierwoß werde schon bald Gelegenheit für eine öffentlichkeitswirksame Unterschrift haben.

Doch unter welchen Inhalt Pierwoß seinen Klaus setzt, scheint tatsächlich noch nicht ganz klar zu sein. Er geht davon aus, dass die mündlichen Absprachen gelten und folglich auch die Tarifsteigerungen übernommen werden. Das hätte aber Konsequenzen: Wenn der Intendantenvertrag so zustande kommt und eingehalten wird, hätte das Theater am Goetheplatz mit der von SPD und CDU gewollten und in der Haushaltsplanung des Senats beschlossenen Kürzungsorgie unter anderem in der Kultur nichts mehr zu tun.

Allerdings machen einzelne KulturpolitikerInnen noch Hoffnung, dass es zu dieser Orgie nicht kommt. Carmen Emigholz spricht etwas nebulös von Sondermitteln und sagt: „Wir müssen erst inves-tieren und umbauen, bevor das haushaltswirksam werden kann“ – sprich: zu Einsparungen führt. Die oppositionelle Helga Trüpel (Bündnisgrüne) fordert von Schulte, den Intendantenvertrag endlich zu unterschreiben. An den Senat gewandt fordert sie außerdem, den Investitionsbegriff auch auf die Kultur auszudehnen und ist darin mit dem Weserburg-Leiter Thomas Deecke einig: „Keine Investition hat so sehr zum Imagewechsel Bremens vom heruntergekommenen Werftenstandort zur Kulturstadt beigetragen wie die Theater, Museen, Kammerphilharmonie und die vielen anderen Einrichtungen.“

Kultursenator Bernt Schulte will heute Stellung nehmen und sein „ungutes Schweigen“, so Emigholz, beenden. Er und seine MitarbeiterInnen werden Überlegungen zu einem Kulturentwicklungsplan vorstellen und beantworten müssen, wie eine solche Entwicklung bei derartigen Kürzungsquoten nicht zu einer Abwicklung mutiert.

ck