Demokratische Anwandlungen in Weißrussland

■ Skepsis gegenüber dem überraschenden Sinneswandel der Regierung Lukaschenko

Berlin (taz) – Bekommt Weißrusslands Staatspräsident Alexander Lukaschenko doch noch demokratische Anwandlungen? Am Dienstag unterzeichnete die weißrussische Regierung einen Vertrag über ein Programm der Europäischen Kommission zur Förderung von unabhängigen Medien, Nichtregierungsorganisationen und einer Zusammenarbeit im Bildungsbereich. Dafür sollen 5,5 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt werden.

Gleichzeitig kündigte die Regierung an, mit der Opposition in einen Dialog einzutreten, um im kommenden Jahr freie Parlamentswahlen abzuhalten. Überdies soll der Opposition der Zugang zu den staatlichen Massenmedien ermöglicht werden. Eine entsprechende Vereinbarung sollte gestern in Minsk unterzeichnet werden.

Zuvor waren fünf politische Gefangene aus der Haft entlassen worden, darunter der Chef der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei, Mikola Statkewitsch. Statkewitsch war im vergangenen Monat bei einer Anti-Lukaschenko-Demonstration unter dem Vorwurf verhaftet worden, einen Massenaufruhr organisiert zu haben. Er sei nur auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem er zuvor habe versichern müssen, das Land nicht zu verlassen, sagte Statkewitsch.

„Das Programm ist ein wichtiger Schritt hin zu einer pluralistischen Gesellschaft“, sagte René Niberg, Chef der EU-Delegation in Minsk. Was die Wiederaufnahme der seit zwei Jahren eingefrorenen EU-Wirtschaftsprogramme für Weißrussland betrifft, hielt er sich wohlweislich bedeckt. „Der Ball ist jetzt in Minsk, nicht in Brüssel“, sagte er. Auch die Europaabgeordnete der Grünen und Mitinitiatorin des Programmes, Elisabeth Schroedter, steht der plötzlichen Demokratiemetamorphose des weißrussischen Staatschefs skeptisch gegenüber. „Lukaschenko konnte an der Unterzeichnung des Programms nicht mehr vorbei. Doch das ist nur ein erster Schritt. Jetzt bedarf es der Bestätigung, dass dieses Programm auch umgesetzt wird. Die Erfahrungen sind bis jetzt andere“, sagte Schroedter.

In der Tat: Noch in der vergangenen Woche hatte Lukschenko in einer Rede vor der Duma anlässlich des Neuaufgusses des russisch-weißrussischen Unionsvertrages in alter Manier gegen den Westen gehetzt. Vor wenigen Tagen warnte Lukaschenko die OSZE davor, vor dem Gipfel in Istanbul wegen der Verletzung von Menschenrechten gegen sein Land Stimmung zu machen. Auch das Schicksal mehrerer verschwundener Oppositioneller ist bislang ungeklärt. Eilig mit der Aufklärung hatten es die Ermittlungsbehörden bislang nicht. Barbara Oertel