Wieder schwere Kämpfe im Norden Sri Lankas

■ Tamilische Rebellen nehmen Stadt ein und greifen Militärstützpunkt an, Armee räumt sehr hohe Verluste ein. Präsidentin Kamaratunga sucht ihr Glück in vorgezogenen Wahlen

Delhi (taz/dpa/AFP) – Tamilische Rebellen und Regierungstruppen haben sich gestern schwere Kämpfe um den Militärstützpunkt Nedunkerni im Norden Sri Lankas geliefert. Am Vortag hatten die Rebellen die nordöstliche Stadt Oddusuddan erobert und der Armee eine schwere Niederlage zugefügt. Nach inoffiziellen Berichten kamen bis gestern 200 Soldaten ums Leben, mehr als 700 wurden bei den Kämpfen um die Stadt verwundet. Die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) hatten die Offensive am Montag begonnen. Die Armee setzte Artillerie und die Luftwaffe ein und gestand „sehr hohe Verluste“ ein. Den Kämpfen fiel auch eine unbekannte Zahl von LTTE-Kämpfern zum Opfer.

Die jüngste Niederlage dürfte die Chancen von Präsidentin Chandrika Kumaratunga auf eine Wiederwahl verschlechtern. Die Wahlen waren vergangene Woche für den 21. Dezember angesetzt worden. Damit kehrte Kumaratunga die Reihenfolge zwischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen um, die im nächsten August fällig sind. Ihre Chancen, sich in der Direktwahl gegen ihren farblosen Widersacher durchzusetzen, sind bedeutend besser als die der Regierungspartei SLFP. Ein Sieg in der Präsidentschaftswahl könnte die Chancen der SLFP verbessern und damit die Bewegungsfreiheit der Präsidentin vergrößern.

Kumaratunga macht die Mehrheitsverhältnisse dafür verantwortlich, dass sie ihre Wahlversprechen – ethnischer Friede und Verfassungsreform – nicht einlösen konnte. Zwar konnte sie auf acht weitere Parteien in- und ausserhalb ihrer „Volksallianz“ zählen. Dies genügte aber nicht für die angestrebten Verfassungsänderungen. Dabei geht es vor allem um die Umwandlung von einem Präsidial- zu einem parlamentarischen System und eine größere Autonomie für die Provinzen. Obwohl auch die oppositionelle UNP in die Reformkommissionen eingebunden war, konnte sich diese nie zu einem parteiübergreifenden Konsens durchringen.

Die hartnäckige Gegnerschaft liegt vor allem in den vergifteten Beziehungen zwischen den großen Parteien und den persönlichen Rankünen ihrer Führer. Dies ist umso fataler, als sie sich direkt auf den Bürgerkrieg auswirken. Mit der Stärkung der Provinzen wollte Kumaratunga den ethnischen Minderheiten, allen voran der Tamilen, entgegenkommen. Sie hoffte damit, der LTTE den Boden zu entziehen, die seit 1983 militärisch für ein unabhängiges „Tamil Eelam“ kämpft. Die gegenwärtige zentralistische Verfassung zementiert die Macht der Singhalesen und macht es gemäßigten Tamilen schwer, sich gegen die LTTE Gehör zu verschaffen. Mit der Waffe des Selbstmordtäters hat diese bisher jeden Brückenschlag verhindert, den gemäßigte Tamilenpolitiker immer wieder unternehmen. Bisher forderte der Krieg 55.000 Tote. Bernard Imhasly