Haftbefehle auch gegen argentinische Militärs

■ Wie vordem Pinochet lässt Spaniens Richter Garzón 97 argentinische Militärs suchen

Madrid (taz) – Der argentinische Wahlsieger Fernando de la Rúa ist noch nicht in den Präsidentenpalast eingezogen, da erwartet ihn schon ein schwere Aufgabe. 97 seiner künftigen Untergebenen aus Militär und Polizei werden seit Dienstag von Interpol gesucht, das Werk des spanischen Richters Garzón. Sie werden wegen Terrorismus, Völkermord und Folter in den Jahren der Diktatur (1976 bis 1983) gesucht. Unter den 97 befinden sich die ehemaligen Mitglieder der Militärjunta Jorge Videla, Emilio Massera und Leopoldo Galtieri. Ein weiterer Militär, Adolfo Francisco Scilingo, ist bereits in Spanien. Da er sich aussagewillig zeigt, hat Garzón ihn aus der U-Haft entlassen und unter polizeiliche Beobachtung gestellt.

Der zukünftige Präsident de la Rúa zögerte nicht lange. Die richterliche Anordnung „habe keine Gültigkeit in Argentinien“, beschied er noch am selben Abend und verweigert der spanischen Justiz jedwede Zusammenarbeit. Die Angehörigen der Militärdiktatur waren nach fünf Jahren Hausarrest 1990 vom scheidenden Präsidenten Julio Menem begnadigt worden. Doch eines kann auch de la Rúa nicht abwenden. Argentinien verwandelt sich jetzt für die 97 in einen goldenen Käfig. Sie können das Land nicht verlassen, ohne Gefahr zu laufen, verhaftet und ausgeliefert zu werden. Nach der Anhörung von Dutzenden Zeugen kam Richter Garzón zum Entschluss, dass die 98 direkt für das Verschwinden von 30.000 Menschen, unter ihnen 576 Spanier, verantwortlich sind.

Armee und Polizei hätten zu diesem Zweck 340 geheime Haftzentren im Land errichtet. Die Grausamkeit gegenüber den Gefangenen übersteige die menschliche Vorstellungskraft. Neben der Misshandlung durch Elektroschock wurden die Opfer an der Wand aufgehängt, mit dem Gesicht in Fäkalien getaucht oder ihnen lebendige Nagetiere in den Anus bzw. die Vagina eingeführt. Wer überlebte, wurde aus Flugzeugen in den Atlantik geworfen. 12,4 Prozent der Verschwundenen und 15,6 Prozent der Repressionsopfer waren Juden, obwohl sie nur zwei Prozent der Gesamtbevölkerung stellen. Garzón führt dies auf die ideologische Nähe der Generäle zu den Nazis zurück.

Reiner Wandler