„Rechtsradikalismus mehr thematisieren“

■ Offensivere gegen Hools und Nazis: Dieter Bänisch von „Jugend und Sport“ im taz-Interview

Dieter Bänisch ist Geschäftsführer des Vereins „Jugend und Sport“. Der Verein ist Träger des HSV-Fanprojekts und des St. Pauli-Fanladens. Er arbeitet mit Hooligans, die den HSV immer wieder in die Schlagzeilen gebracht haben.

taz: Herr Bänisch, wie viele Hools gibt es beim HSV?

Dieter Bänisch: In keinem Stadion Deutschlands machen Hools mehr als drei bis vier Prozent aus. Beim HSV bilden etwa 60 Leute den harten Kern, bei manchen Spielen kommen noch Mitläufer dazu. Die Übrigen im Stadion sind friedlich.

Sind Hooligans, wie es das Klischee nahelegt, arbeitslose Jugendliche aus den sozialen Brennpunkten?

Ein großer Teil kommt aus der Mittelschicht. Da gab und gibt es leitende Angestellte, gutverdienende Fotomodelle, Jurastudenten, sogar schon Polizisten. Die Hoolszene ist eher ein Abbild der Gesellschaft. Natürlich gibt es aber auch Brüche in den Karrieren. Nach dem zehnten blauen Auge endet auch die Geduld des tolerantesten Arbeitgebers.

Viele setzen aber Hools mit Nazis gleich.

Das haben sich die Hools auch selbst zuzuschreiben. Denn die Distanzierung zu den rechten Skinheads funktioniert nicht mehr so wie noch vor zehn Jahren, als im Volksparkstadion die Polizei Skins vor den Hools schützen musste. Die DVU hat bei Wählern von 18 bis 35 Jahren ihre besten Ergebnisse. Und diese Subkultur besteht eben aus Leuten dieses Alters.

Es gibt übrigens beim HSV eine neue Stadionordnung, die rassistische Äußerungen mit Stadionverbot belegt. Das weiß nur kaum jemand. Generell würde ich mir schon wünschen, dass der Verein die Themen Hooliganismus und Rechtsradikalismus offensiver thematisiert.

Was bringt diese Leute dazu, ihren Job aufs Spiel zu setzen?

Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum man sich freiwillig das Nasenbein zertrümmern lässt oder warum man bereit ist, Job und Familie einfach aufzugeben. Für einige ist das Hooldasein aber wohl der Stabilisierungsfaktor schlechthin. Die haben sonst keine Freunde.

Was kann Fanarbeit da leisten?

Wir sind eine Art „Vorschaltebene“ zwischen der Justiz und den Jugendlichen. Es kommt schon vor, dass Einzelne kommen und um Hilfe bitten. Wir tun dann unser Möglichstes – auch um allmählich ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und vorhandenes Vertrauen nicht zu enttäuschen. Nur so kann man auch auf die Jugendlichen einwirken.

Die Ereignisse von Lens haben wochenlang für Schlagzeilen gesorgt. Hat das für Nachdenklichkeit in der Szene gesorgt?

Lens ist nach meinem Eindruck stark reflektiert worden. Das war für viele mehrere Nummern zu hart. Die Hamburger Ultras waren da auch vor Ort. Ob außer dem einen, der in Essen vor Gericht stand, noch mehr direkt in die Ereignisse verwickelt waren, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß aber auch, dass einige HSVer eingeschritten sind, als rechte Sprüche wie „Wir sind wieder einmarschiert“ kamen.

Interview: Christoph Ruf