Meisterkonzerte-Flut

■ Mahler und Hindemith bildeten das Programm des NDR-Sinfonieorchesters

Der Konzertbesucher staunt über die Aushänge: „Meisterkonzerte – Weltklasse in der Glocke“. Sind das denn nun die neuen Meisterkonzerte, die mal von der Konzertagentur Praeger & Meier und danach vom Konzertveranstalter Hermann Pölking-Eiken organisiert wurden? „Nein“, sagt Ulrike Tümmel, zuständig für Klassik beim Konzertbüro KPS, das vor zwei Jahren auch die Organisation und das Marketing der Philharmonischen Konzerte übernommen hat. „Der Begriff Meisterkonzerte ist nicht geschützt. Ich habe die Konzerte zusammengepackt mit der davor selbständigen Reihe des NDR-Sinfonieorchesters“.

Hier wie da eine Reihe A und eine Reihe B, hier wie da die Adresse Domshof. Mit der Schnelligkeit, in der sich in Bremen kulturelle Dinge ändern, kommt man kaum noch mit. Denn zwei Spielzeiten davor, als noch Pölking-Eiken die Meisterkonzerte besaß, war's ja auch mal so, dass einige Konzerte des Musikfestes in der Reihe der Meisterkonzerte auftauchten, diese Konzerte also mit öffentlichen und Sponsorgeldern vitamisiert wurden. Letztendlich muss man fragen, wieviel Orchesterkonzerte diese Stadt verträgt und wie sich sowohl monopolisierende wie auch konkurrierende Strukturen vermeiden lassen. Große Publikumsrückgänge mussten alle schlucken, das Musikfest ebenso wie die Philharmonischen Konzerte, die Meisterkonzerte und die zuletzt eingeführte Reihe des NDR-Sinfonie-Orchesters. Wobei es fatal wäre, angesichts guter Programme auf Publikumszahlen zu schielen.

Dazu gehören die interessanten Konzeptionen des NDR-Sinfonie-Orchesters mit seinem Chefdirigenten Christoph Eschenbach. Paul Hindemiths sprödes „Apparebit repentina dies“ für Chor und acht Blechbläser (1947) hört man so gut wie nie (trefflich der große NDR-Chor unter Hans Christoph Rademann!). Die Bekanntheit von Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ (1908) macht sie nicht genießbarer: wunderbare, aber schwere Kost beides. Das wirkte sich aufs Interesse aus: Die Glocke war gerade ausreichend besucht.

Dieses Publikum allerdings stand am Ende vor Begeisterung: Wunderbar hatten Eschenbach und sein Orchester bei Mahler den Gegensatz zwischen dem stürmischen Prinzip (des Tenors) und den zunehmend schwereren Gedanken (des Baritons) gestaltet – auch wenn man sich Ausdruckanweisungen wie „zart“ oder „zurückhaltend“ in diesem seltsamen Kompromiss zwischen Lied und Sinfonie sehr viel deutlicher vorstellen könnte. Der Tenor Christian Franz allerdings brüllte sich nach schlechtester Heldentenormanier über das Orchester – warum auch immer.. Denn das Material und die intelligente Phrasierung Franz' waren, wenn man gut zuhörte, auch vorhanden, nur leider zugeknallt.

Bariton Thomas Hampson konnte und wollte Sentimentalität nicht vermeiden, überzeugte aber außerordentlich in dem schwierig-philosophischen Part des letzten resignativen Satzes „Abschied“, der quasi zerfällt. Ute Schalz-Laurenze