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■ Bremer Parlamentarier wollen Verfassung ändern: Staatsräte zu Ersatz-Senatoren – das spart viel Fahrerei zum ungeliebten Bundesrat nach Berlin

Wenn Historiker in 50 Jahren rätseln, warum Bremer ParlamentarierInnen im Januar des Jahres 2000 freiwillig ihre Rechte eingeschränkt haben, wird in den Geschichtsbüchern wohl stehen: „Wirtschaftliche Zwänge“. Dafür nämlich stellten gestern CDU und SPD – gegen die Stimme der Grünen – die Weichen. Im Verfassungsausschuss votierten sie für eine Verfassungsänderung, der zu Folge Staatsräte bald in den Senatorenrang erhoben werden können.

Schon im kommenden Januar, so rechnen die Politiker, kann die Verfassungsänderung in dritter Lesung in der Bürgerschaft beschlossen werden. Danach werden Abgeordnete der Bürgerschaft auf die personelle Besetzung von Senatoren-Posten „zweiten Ranges“ nicht mehr Einfluss haben, als dass sie diese ablehnen könnten. Das Vorschlagsrecht für die Besetzung dieser Staatsräte-Senatoren-Posten liegt beim Senat – allerdings beim gesamten Gremium, nicht wie ursprünglich vorgesehen, nur beim Präsidenten des Senats, Henning Scherf (SPD).

Diese Entscheidung war auch innerhalb der Regierungsfraktionen umstritten; die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratischen JuristInnen hatte gegen eine Verfassungsänderung opponiert, Verfassungsrechtler Bedenken geäußert. „Diese ganze Verfassungsänderung ist ungewöhnlich“, kommentierte gestern auch Horst Isola (SPD), der Vorsitzende des Ausschusses, den eigenen Beschluss. „Sie sind umgekippt“, kristisierte der oppositionelle Grüne, Hermann Kuhn, die Entscheidung.

Der zuvor diskutierte Entwurf zur Verfassungsänderung hatte in der politischen Öffentlichkeit die Runde als „Lex Bettermann“ gemacht. Hintergrund war das Begehren von Bürgermeister Scherf, sich von Bundesaufgaben zu entlasten und an seiner Statt den Bremer Bundesbevollmächtigten in Berlin, Erik Bettermann (SPD), zu Abstimmungen in Bundesrat und Ermittlungsausschuss zu schicken – was nur möglich wäre, wenn Staatsrat Bettermann Senator würde. Und auch nur möglich, wenn die CDU aus Proporzgründen ebenfalls einen Staatsrat-Senator bekäme. Dafür wird der ehemalige Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz (CDU), jetzt Staatsrat bei Finanzen, gehandelt. Über dessen zukünftigen Aufgabenbereich allerdings herrscht Rätselraten. Immerhin wurde der Vorschlag, zwei Staatsräte-Senatoren in der Verfassung festzuschreiben, mittlerweile retouchiert. „Zu weiteren Mitgliedern des Senats können Staatsräte, deren Zahl ein Drittel der Zahl der Senatoren nicht übersteigen darf, gewählt werden“, soll es künftig in der Landesverfassung heißen – um vom Verdacht freizukommen, die Landesverfassung würde allzu beliebig auf den jeweiligen politischen Bedarf zugeschnitten.

Als Hauptargument für eine Verfassungsänderung nennen CDU- und SPD-Ausschussmitglieder die Arbeitsbelastung: In den vergangenen acht Jahren sei die Zahl der Senatoren von elfauf sieben geschrumpft. Die Zahl der Staatsräte sei mit 14 konstant geblieben. Die Arbeit jedoch sei nicht weniger geworden. Mithin wiege der Wunsch des Senats, sich durch Delegation von Arbeit an Staatsräte zu entlasten, schwer. Für Bremen, so Argument Nummer zwei, sei die Lösung mit Staatsräte-Senatoren zudem kostengünstig. Senatoren mit entsprechendem Apparat einzusetzen, koste mehr. Der jetzt beschlossene Entwurf sei als Gesetz „weit von der Verfassungswidrigkeit entfernt“, betonte der Ausschussvorsitzende Isola gestern. Zugleich räumte er ein, die Verfassungstradition habe hinter den aktuellen Notwendigkeiten zurückstehen müssen.

Die Verfassungstradition, darauf hatte auch der Verfassungsrechtler Dian Schefold hingewiesen, sieht den Bremer Senat als Kollegialgremium. Das Prinzip, nach dem alle das gleiche Gewicht und der Präsident – anders als Ministerpräsidenten anderer Länder – keine Richtlinienkompetenz hat, werde mit dem Staatsrats-Senator angekratzt. Das neue Modell könnte auch skurrile Blüten treiben: Zwar kann das Parlament einen Staatsräte-Senator abberufen. Dennoch könnte der als Staatsrat und somit Vertreter des Senatoren, weiter der Regierung angehören.

ede