: Geheimnisvolle Geisterbahn rauscht durch den Tunnel
■ Auf der U-Bahn-Linie 5 wird eine führerlose U-Bahn getestet. Aber das will die BVG offiziell erst im Februar verraten. Die Fahrer halten die technische Spielerei für überflüssig
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wollen ihre U-Bahn-Fahrer langfristig durch Computer ersetzen. Auf der U-Bahn-Linie 5 zwischen Friedrichsfelde und Biesdorf rollt schon jetzt ein führerloser Probezug. Das Projekt trägt den Decknamen STAR. Was sich hinter dem Kürzel verbirgt, will die BVG nicht sagen. Laut Vorstandsbeschluss dürfen vor dem 10. Februar nächsten Jahres keine Informationen über STAR an die Öffentlichkeit herausgegeben werden. Dann soll während eines zweitägigen Kongresses das Projekt vorgestellt werden. An der Entwicklung ist auch das Bundesministerium für Forschung und die Firma Siemens beteiligt. Ein direkter Auftrag an die Industrie stehe aber nach Angaben des Unternehmens noch aus.
Was in Städten wie Paris oder London auf einigen Strecken längst Alltag ist, ist in Berlin noch Zukunftsmusik. Der offizielle Start für den ersten vollautomatischen Zug der neuen Baureihe H ist nicht vor dem Jahre 2010 vorgesehen. Ziel der BVG ist es, den Service zu verbessern und menschliches Versagen auf ein Minimum zu reduzieren. Das dürfte die Fahrgäste kaum beruhigen, wie Karl-Heinz Röchlitz, verkehrspolitischer Referent der Grünen im Bundestag, weiß. „Sicherheit ist ein objektives Problem und die Leute wollen einen Ansprechpartner, der bei Bedarf den Hebel noch herumreißen kann.“ Dagmar Buchholz, Sprecherin der Senatsverkehrsverwaltung, ist da anderer Ansicht. „Man kann sich dem Fortschritt nicht entziehen, und deshalb muss man das Projekt befürworten.“ Sie spricht von „Routine-Arbeitsplätzen“, die zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der BVG wegfallen würden. „Wie ein Unternehmen mit seinen Ressourcen umgeht, muss es allein entscheiden.“
Arbeitsplätze sollen bei der Umstellung von konventionellen auf automatisch betriebene Bahnen allerdings nicht verloren gehen. Die derzeit etwa 850 Fahrer sollen im Service-Bereich und bei der Fahrgastbetreuung eingesetzt werden. Da bei dem Pilotprojekt bisher aber nur die U-Bahn-Linie 5 im Gespräch ist, hoffen sie, auf anderen Linien weiterfahren zu können.
Die Stimmung bei vielen BVG-Mitarbeitern ist dennoch schlecht. Die Fahrer fürchten zwar noch nicht um ihren Job, finden das Projekt aber überflüssig. Anstatt der technischen Spielereien solle man sich im Vorstand lieber um den Ausbau des Nahverkehrs kümmern. Als Service-Mitarbeiter würden sie sich überqualifiziert fühlen. „Aber“, sagt einer resigniert, „der Vorstand ist in seinem Wahn ja nicht aufzuhalten.“
Jan Brandt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen