Treibhausgase noch ungefährdet

Heute letzter Tag bei der UN-Klimakonferenz. Umweltschützer enttäuscht, Umweltminister Trittin zuversichtlich. USA sträuben sich weiterhin  ■   Aus Bonn Maike Rademaker

Die Industrie hat nichts gegen ein Abkommen, weil sie sonst eine Steuer auf Kohlendioxid und Energie befürchten muss

Das Resümee von Umweltminister Jürgen Trittin zur fünften internationalen Klimakonferenz ist nüchtern: Es gäbe „beachtliche Erfolge zu verzeichnen“, sagte er gestern in Bonn. So habe man sich auf die Richtlinien zur Berichterstattung über Emissionen einigen können. Das Ziel, das Kioto-Protokoll bis 2002 in Kraft treten zu lassen, habe eine „breite Mehrheit“ gefunden.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung bereit sei, das Protokoll auch zu ratifizieren, wenn die USA es nicht tun – ein hartnäckiges Konferenzgerücht – antwortete Trittin, die Bundesregierung strebe eine Ratifizierung unter Einschluss möglichst aller Verursacher ein. Man habe aber für die mangelnde Verbindlichkeit der USA Verständnis.

Die USA weichen verbindlichen Zusagen weiterhin aus, da sie während der anlaufenden Präsidentschaftswahlen mit innenpolitischen Widerständen gegen eine Ratifizierung rechnen können. Sie beharren darauf, ihre Treibhausgasreduzierung auch über den Kauf von Emissionsrechten ärmerer Länder erreichen zu können.

Weiterhin ungeklärt bleibt die Frage, welche Rolle die Nuklearenergie bei den Reduktionsmechanismen spielt. Trittin beteuerte zwar, selbst die Franzosen seien nicht dafür, AKWs als Treibhausgas-mindernd anzurechnen. Die Umweltschützer hatten aber gestern England angeprangert, da die Briten verhindert hätten, dass die EU sich geschlossen gegen Nuklearenergie einsetzt.

Der World Wide Fund for Nature (WWF) warf den Konferenzteilnehmern aus 173 Staaten eine „schizophrene Politik“ vor. Einerseits würden sie die Schlupflöcher im Klimaabkommen erweitern wollen und wichen allen politischen Fragen aus. Andererseits stimmten alle Minister zu, dass jetzt endlich und schnell etwas getan werden muss.

Das Konferenzergebnis entspricht den dünnen Erwartungen, die Politiker wie Umweltschützer vorab geäussert haben. In entscheidenden Fragen konnten sich die Teilnehmer nicht einigen – etwa, ob die Industrieländer ihre Reduktionsziele zu 100 Prozent durch Maßnahmen im Ausland erreichen dürfen, oder, das ist die Position der EU, zu mindestens 50 Prozent auch zu Hause Emissionen sparen müssen.

Wenn das Protokoll umgesetzt wird, werden die Projekte der „gemeinsamen Umsetzung“ (joint implementation, JI), saubere Entwicklung (Clean Development Mechanism) und Emissionsrechtehandel Realität. Ein Beispiel ist ein Heizprojekt in Tschechien. Hier hat eine holländische Firma in Decin mit dem Kredit einer US-Bank die Braunkohleheizung des Städtchens umgestellt auf Gas. Da der Kohlenstoffgehalt von Braunkohle dreimal höher ist als der von Gas, können so erhebiche CO2-Reduktionen erreicht werden.

Das Projekt hat aber einen Haken, meint Roland Rösch, Diplom-Wirtschaftsingenieur und Mitglied einer interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeitsgruppe der Uni Darmstadt: „Um den Kredit zurückzuzahlen, wurden die Heizpreise erhöht – Decin hat die höchsten Heizpreise Tschechiens.“ Nicht nur, das damit das Projekt wohl wenig Verständnis bei der Bevölkerung findet, er sieht ein weiteres Problem: „Wer das nicht bezahlen kann, geht zur Braunkohle zurück.“ Eine Nachhaltigkeit ist damit nicht gewährleistet. Rösch plädiert daher für einen strengen Kriterienkatalog für solche Projekte, damit diese nicht nur dem Klima etwas bringen, sondern auch anderen Beteiligten.

Auch die Industrie beschäftigt mit solchen Fragen wie die Politiker in Bonn. Sie tut das aber nicht nur ihres Öko-Images wegen: Kommt das Kioto/Protokoll nicht, kommt vielleicht etwas anderes: die CO2-Steuer. „Das wird im EU-Parlament gerade wieder diskutiert“ weiß Rösch. Und CO2, weiß die Industrie, lässt sich einfacher und billiger bei ausländischen Investitionen sparen.