Fairness für Gefangene

■ Häftling, der nicht vorzeitig entlassen wurde, klagte erfolgreich auf Straferlass

Freiburg (taz) – Das Bundesverfassungsgericht will, dass Strafgefangene eine faire Chance auf vorzeitige Entlassung haben. Es hob dabei eine Entscheidung des Landgerichts Regensburg auf, das einem Häftling nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe die Entlassung verweigert hatte. Das Gericht ließ offen, wie eine richtige Entscheidung aussehen könnte, forderte aber „bestmögliche Sachaufklärung“.

Geklagt hatte ein Mann, der wegen Totschlags zu zwölf Jahren Haft verurteilt war. Er hatte seine Freundin getötet. Im Mai 1998 waren zwei Drittel der Strafe verbüßt, dennoch wurde eine Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung verweigert, weil das „Vollzugsverhalten“ nicht einwandfrei gewesen sei. Neun Monate später unternahm der Mann einen neuen Versuch. Diesmal bescheinigte ihm die Haftanstalt „beanstandungsloses Verhalten“. Dennoch wurde sein Antrag erneut abgelehnt.

Der Häftling sah darin sein Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt und hat mit seiner Verfassungsbeschwerde nun auch Erfolg. Das Landgericht muss deshalb über den Antrag des Mannes erneut entscheiden und sich dabei ein „umfassendes Bild“ verschaffen. Entscheidend sei die Frage, „ob und wenn ja welche Gefahren von dem Beschwerdeführer heute noch ausgehen“, so das Verfassungsgericht. Bei dieser Prognose müsse das Verhalten im Vollzug umso mehr ins Gewicht fallen, je länger die Straftat zurückliege. Tadelloses Vollzugsverhalten könne nicht einfach ignoriert werden.

Das Verfassungsgericht versucht hier offensichtlich ein Signal gegen eine allzu rigide Kriminalpolitik zu setzen. Verfasst wurde das Urteil von Richter Winfried Hassemer, von dem bekannt ist, dass er die gesetzlichen Verfahrensrechte von Strafgefangenen sehr ernst nimmt. (Az.: 2 BvR 1538/99) Christian Rath