Widerspruchslos elegisch

■ Irgendwo zwischen Wüstenrock und den Sounds von Tortoise: Die amerikanische Band Friends of Dean Martinez spielt im Knaack

Es war einmal eine Band namens Friends of Dean Martinez. Die kam aus Arizona, dem Land, in dem es so viele und so große Löcher im Boden gibt, dass Menschen aus aller Welt das Land besuchen, um die Löcher zu bestaunen. Wenn die Menschen lang genug in die Löcher gestarrt haben, setzen sie sich wieder in ihren Mietwagen und fahren tagelang durch den Teil des Landes, der keine Löcher hat. Aber dafür flach wie eine Schallplatte und wüst und leer ist. Dort fühlen sie sich dem Himmel so nah wie niemals zuvor und zurückgeworfen auf die Nichtigkeit ihrer mickrigen menschlichen Existenz.

So ist es. So ist es nicht. „Es gibt einen amerikanischen Südwesten“, stellt das New Yorker Magazin TimeOut in einer Plattenkritik zu „Atardecer“, der letzten Platte der Friends of Dean Martinez, fest, „der fast nur in den Köpfen von Europäern existiert, wo ein pfeifender Wind über die Prärie fegt und entwurzelte Büsche über jede Straße rollen.“ Und die Friends spielen den Soundtrack dazu.

Soundtrack ist übrigens ein Wort, das in keinem Text über die Friends of Dean Martinez fehlen darf. Das liegt zum einen daran, dass Soundtrack eine immer wieder gern genutzte Assoziation ist bei Instrumentalmusiken. Zum anderen daran, dass die Bilder, nach denen der touristische Blick sucht, den zu bedienen den Friends of Dean Martinez unterstellt wird, natürlich vor allem aus amerikanischen Filmen gespeist wurden.

Gegründet wurden die Friends ursprünglich einmal von altgedienten Musikern aus Tucson, die bei ihren Bands oft in der zweiten Reihe trommelten oder Bass spielten. Darunter waren Mitglieder von Naked Prey und Green On Red, aber auch John Convertino und Joey Burns, die Rhythmussektion von Giant Sand und selbst mit Calexico auf der Suche nach Spuren im Sand.

Als wollten sie alle endlich sagen können, was sie bislang niemals sagten durften, lieferten sie so etwas wie die Essenz ihrer Hauptarbeitgeber ab und landeten dabei exakt in der Mitte zwischen ebendiesem Wüstenrock und dem strukturauflösenden Ansatz von Tortoise: Man könnte es Country-Jazz nennen. Oder: die Suche nach dem Minimalismus im Gitarrenunderground. Aus der eher lose organisierten All-Star-Band ist inzwischen die Hauptbeschäftigung von Bill Elm geworden, der sich nur mehr sporadisch und für Auftritte Gäste hinzulädt.

Umgezogen ist er auch: Er wohnt inzwischen in Austin, Texas, wo der Himmel nicht mehr ganz so nah ist. Vielleicht deswegen bemüht er sich auf „Atardecer“ um einen Relaunch des leicht angestaubten Ansatzes. Das Artwork des Covers spielt nicht umsonst mit Layout und Schrifttypen, wie man sie sonst eher von elektronischer Musik kennt: Vorsichtig blubbert da hin und wieder ein Sequenzer, dezent wird der Sampler eingesetzt, ein Theremin fügt sich widerspruchslos in die elegische Atmosphäre, und der Moog, den sie schon immer benutzten, malt tiefrote Flächen. Irgendwo zwischen all den Gitarren ist tatsächlich auch noch Platz für den Surf-Twang von Duane Eddy. Absurderweise klingen die Friends of Dean Martinez ohne Convertino und Burns ähnlich schwelgerisch wie deren Privatprojekt Calexico.

In beiden Fällen gibt es nur einen Haken: Manchmal wird einem so viel Schönheit zu viel. Aber wir wollen mal annehmen, Gitarren hätten uns womöglich noch etwas zu sagen. Wenn dem tatsächlich so ist, dann sind die Friends of Dean Martinez ein guter Anfang, um erst mal wieder neu zu lernen, zuzuhören. Thomas Winkler

Sonntag, 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224