Chancen für gute Qualität

■  PV Gap: Ein Gütesiegel soll einen weltweit einheitlich hohen Qualitätsstandard bei Solarstrom-Systemen garantieren. Doch der Verwaltungsweg bis zum Gütesiegel ist lang

ISO, IEC, IECQ, Ispra: ein Berg von Standards, Normen und Zertifikaten, den nur Fachleute überblicken. Der Käufer einer Solarstromanlage weiß hingegen oft nicht, welche Komponenten seiner Anlage internationalen Standards entsprechen. Mit Hilfe von Testlabors und einem Gütesiegel will die Organisation „Global Approval Programm for Photovoltaics“ – kurz: PV Gap – für hohe Qualität und Transparenz auf dem Solarstrom-Markt sorgen.

„Gap“ heißt „Lücke“. Und bei Solarstromanlagen gibt es eine große: Standards sind weltweit nur unzulänglich definiert. Das jedenfalls befanden Experten aus Europa, Japan und den USA, die sich bereits im Sommer 1996 auf Einladung der Rockefeller-Stiftung in Terrytown, USA, versammelten. Die Lösung des Problems soll „PV Gap“ heißen – das Kürzel steht für eine Organisation, deren Hauptaufgabe ist, „Qualitätsstandards und Zertifizierungsverfahren für Solarstrom-Produkte und -Systeme zu fördern“, und zwar weltweit.

Peter Varadi, einst Mitbegründes amerikanischen Solarmodulherstellers Solarex, ist Präsident und einer der geistigen Väter von PV Gap. Er erinnert sich noch gut, wie es dazu kam: „Den Anstoß für mein Engagement in der Qualitätsdiskussion gaben die Ergebnisse einer Studie, die ich 1995 für die Europäische Kommission machte.“ Dabei habe sich gezeigt, dass es in Entwicklungsländern häufig zu Betriebsstörungen bei netzfernen Solarstromanlagen komme, sowohl bei der Zusammenstellung der teils lokal produzierten Komponenten als auch bei der Installation und der Wartung. Der Grund: Es fehlen Standards.

Auch Jürgen Schopp, der schon einige Dutzend Solarstromanlagen in Afrika installiert hat, kann von diesen Problemen ein Lied singen: „Wenn man draußen ist, sieht man die abenteuerlichsten Konfigurationen. Da gibt es dann Solar Home Systems mit Gabelstaplerbatterien, die kann die Solarstromanlage aus technischen Gründen gar nicht aufladen.“

Solche oder ähnliche Fehler hängen unter anderem damit zusammen, dass die Spender solcher Anlagen, beispielsweise gemeinnützige Organisationen, oftmals gar nicht wissen, welchen extremen Bedingungen die Technik in der südlichen Hemisphäre ausgesetzt ist. Zwar gibt es für amorphe und kristalline Module international gebräuchliche Standards, für ein komplettes Solarstromsystem allerdings nicht. Auch ein internationales Handbuch, in dem die zertifizierten Komponenten gelistet und erklärt sind, gibt es bislang nicht. Wenn nun Solarstromanlagen zum Beispiel nach Afrika verschickt werden, geschieht das aus Kostengründen oft ohne Begleitung von Fachpersonal. Der Elektrospezialist des Dorfes ist dann auf sein Improvisationsvermögen angewiesen, und „das tut der Leistung der Solarstromanlage nicht immer gut“, weiß Jürgen Schopp.

PV Gap will helfen: Es sollen Standards für alle Komponenten einer Solarstrom-Anlage erarbeitet werden, die weltweit akzeptiert und deren Einhaltung in allen Ländern von lokalen Testlaboren zu überprüfen sind. Für die Bedürfnisse in den Entwicklungsländern hat die Organisation ein standardisiertes, von öffentlichen Stromnetzen unabhängig arbeitendes Solar Home System entworfen, ein sogenanntes Inselsystem, bestehend aus Modul, Batterie, Laderegler und Energiesparlampe. Der tags erzeugte Strom wird in einem Akku zwischengespeichert, von dem abends dann der kostbare Saft zu entnehmen ist. Ein Referenz-Handbuch dokumentiert alle Standards sowie die Prüfverfahren und soll die Auswahl und Zusammenstellung der Einzelteile erleichtern. Mittels zweier Gütesiegel – eines für Komplett-Systeme und eines für einzelne Komponenten einer Anlage – sollen Kunden die zertifizierten Solarstrom-Geräte identifizieren können.

Standards, Normen und Qualitätszertifikate gibt es zwar, jedoch in jedem Land andere, und nicht immer sind sie miteinander kompatibel – man denke nur an all die Elektrogeräte, die für das hiesige Niederspannungsnetz mit 230 Volt, aber nicht für das amerikanische mit 110 Volt gebaut wurden. Insofern lag es für PV Gap nahe, die weltweit zuständige International Electrotechnical Comission (IEC) zur Mitarbeit an ihrem Projekt zu bewegen. Zudem existieren bereits viele IEC-Standards für Elektronikprodukte (Stecker, Niederspannungsschalter), die zwar nicht für Solarstrom-Anlagen erarbeitet wurden, von denen einige, wie zum Beispiel Leitungskabel, aber in jedem System zu finden sind. PV Gap hat daraufhin alle diese Standards in sein Handbuch aufgenommen, allerdings gibt es dergleichen noch nicht für Laderegler oder Batterien. Für deren Erstellung benötigt der für Solarstromkomponenten verantwortliche IEC-Ausschuss Zeit, je komplexer das Gerät desto mehr – und noch länger dauert es, je mehr Interessen im Spiel sind. „Die Erstellung von Standards wurde komplett vernachlässigt“, beklagt sich Peter Varadi. Damit die Testlabore in der Zwischenzeit ohne Standards nicht im Regen stehen, erarbeitet PV Gap so genannte Recommended Standards (RS). Nicht nur aus diesem Grund seien die RS eine gute Sache, so Heinz Ossenbrink, Vorsitzender der Standardisierungsgruppe bei PV Gap. „Das Ganze ist eine Kopie des Ispra-Modells der In-House-Standards, wobei gute Industriestandards übernommen werden.“ Der Name „Ispra“ steht dabei nicht für eine weitere internationale Standardisierungs-Organisation, sondern ist lediglich der Name eines kleinen Ortes in Italien mit einem Forschungszentrum der Europäischen Kommission. Da PV Gap zudem keine offizielle Standardbehörde sei, zeige sich die Industrie kooperativ und habe weniger Furcht vor etwaigen Normen, deren Erfüllung sich für sie als schwierig erweisen könnte.

Der Verwaltungsweg bis hin zum Gütesiegel ist lang, und ein Standard allein bürgt noch nicht für Qualität. Deshalb hat PV Gap die Administration an die IECQ abgegeben, eine noch recht unbekannte Tochterorganisation der IEC, die aber weltweit Qualitätsprüfungen von elektrotechnischen Produkten, Systemen und Firmen vornimmt oder vornehmen lässt. Der verlängerte Arm der IECQ in Deutschland – und eines von den nationalen Laboren, die an der PV Gap-Zertifizierung interessiert sind – ist das VDE Prüf- und Zertifizierungslabor in Offenbach, bekannt durch sein Siegel auf Elektro- und Haushaltsgeräten.

PV Gap hat gute Chancen, in naher Zukunft weltweit akzeptiert zu werden: Die Weltbank, die Entwicklungshilfeorganisation der Vereinten Nationen UNDP und die Europäische Kommission unterstützen die Einführung eines einheitlichen Standards. Nicht, dass die Produzenten von Solaranlage befürchten müssen, zu hiesigen Projekten keinen Zutritt mehr ohne Siegel zu bekommen – wer aber plant, sich für Projekte dieser Organisation in Entwicklungsländern zu bewerben, sollte sich mit PV GAP langsam vertraut machen. Michael Schmela